„Forschung ist Bewegung, die nie zu einem Ende kommt.“ – Alexander von Humboldt
Das deutsche Kino bleibt ein zweischneidiges Schwert. Trefflich versteht es sich auf die Beobachtung sozialer Milieus oder unprätentiöse Schilderungen persönlicher Schicksale. Als Repräsentant dieser Ausrichtung kann stets Andreas Dresen („Halt auf freier Strecke“) herangezogen werden. Auch, weil er diesem noch immer ausgeprägten Drang der nationalen Filmwirtschaft widersteht, den erhobenen Zeigefinger zu schwenken. Neben dieser latenten moralischen Besserwisserei wird die Kehrseite teutonischer Leinwand-Identität von klischeeversetzter Komödienkost geprägt, der Til Schweiger und Matthias Schweighöfer ihren omnipräsenten Stempel aufgedrückt haben.
Zwischen den Stühlen steht Detlev Buck („Herr Lehmann“), der als Regisseur gern schrullige Typen in heiter lakonischen Kontexten inszeniert, mit „Knallhart“ aber auch in jene schmalzfreie sozialkritische Kerbe schlug, die das unbequeme Erbe des Heimatfilms auszeichnet. Mit der Verfilmung von Daniel Kehlmanns Erfolgsroman „Die Vermessung der Welt“ hat sich der sympathische Buck, der mit dem Autor auch das Drehbuch schrieb, jedoch verhoben. Zwar kleidet er die fiktiv ausgestaltete Biographie der wissenschaftlichen Vorkämpfer Alexander von Humboldt und Carl Friedrich Gauß in rauschhafte Bilder, erzählt neben ihnen aber eine ungemein tranige und bestenfalls bruchstückhafte Geschichte.
So wird die im Off von Christoph Waltz („Der Gott des Gemetzels“) begleitete Ode an die Neugier zwischen visueller Klasse und inhaltlicher Non-Existenz zerrissen. Das ist schade, denn Buck nutzt den Rahmen der literarischen Vorlage für allerlei Skurriles auf den Spuren von Monty Python und Loriot. Allein, es nützt nichts. Denn „Die Vermessung der Welt“ ist vor allem zäh und langweilig. Die eigenwillig ergänzten Vitas von Mathematiker Gauß (Florian David Fitz, „Jesus liebt mich“) und Naturforscher Humboldt (Albrecht Abraham Schuch, „Westwind“) laufen, abgesehen von Begegnungen in Kindheit und Alter, ohne Berührungspunkte parallel, bleiben aber ohne Ziel oder echte Entwicklung.
Während sich der aus ärmlichen Verhältnissen stammende Gauß Anfang des 19. Jahrhunderts mühsam zum anerkannten Gelehrten mausert und die Heimat Braunschweig kaum verlässt, bereist der adlige Humboldt die Welt und zählt in Südamerika Indio-Kopfläuse. Man mag das als Plädoyer verstehen, den Verstand nie ruhen zu lassen und stets wissbegierig zu bleiben. Nur steht dieser Erkenntnis der vergrämende Gauß gegenüber, der im Überlegenheitswahn nur den eigenen Intellekt anerkennt und in der Senilität Kants Bestätigung findet. Damit zerfällt der Film in kaum zusammenhängende und obendrein behäbig verklebte Einzelteile, die vom bewusst theatralischen Spiel der redlichen Darsteller kaum getragen werden können. So mag die Forschung stets in Bewegung bleiben, dieser optisch reizvolle Film jedoch tritt auf der Stelle.
Wertung: (4 / 10)