„We all have one enemy, and that’s President Snow. He corrupts everyone and everything. He turns the best of us against each other. Stop killing for him! Tonight, turn your weapons to the Capitol! Turn your weapons to Snow!“ – Kampfeswillig: Katniss
Mit dem ersten Akt des zweigeteilten Finales von „Die Tribute von Panem“ überraschten die Macher, insbesondere gemessen an der jugendlichen Zielgruppe, mit bildlicher Drastik. Die Teen-Dystopie reifte zum Anti-Kriegsfilm, der die Mechanismen von Propaganda und Manipulation überraschend schonungslos offenlegte. Nur konnten der Kurs und die Bitterkeit von „Mockingjay – Teil 1“ unmöglich über die gesamte Länge des Schlusskapitels beibehalten werden. Schließlich braucht das Publikum versöhnliche Töne – und Action. Im Gegensatz zum direkten Vorgänger kommen die Effekttüftler beim großen Showdown deutlich häufiger zum Einsatz. Das mehrt zwangsläufig die Oberflächlichkeit. Von Hollywood-Hochglanz ist die Saga allerdings auch bei ihrem Abschluss angenehm weit entfernt.
An die Qualität der ersten Teile reicht der wiederum von Francis Lawrence („I Am Legend“) inszenierte zweite Part von „Mockingjay“ dennoch nicht heran. Das liegt einerseits an den mitunter selbstzweckhaft erscheinenden Krawall-Intermezzi sowie andererseits an der flüchtigen Abhandlung relevanter Charaktere und deren Entwicklung. Dass der von Philip Seymour Hoffman („The Master“) verkörperte Plutarch Heavensbee gegen Ende keine Rolle mehr spielt, liegt wohl nicht allein daran, dass der Schauspieler während der Dreharbeiten einer Überdosis Drogen erlag. Besonders deutlich wird dies Gefälle aber an Revolutionsführerin Alma Coin (Julianne Moore, „The Kids Are Alright“), die in Auftreten und Taktik zunehmend an ihren Widerpart, den skrupellosen Präsidenten Snow (Donald Sutherland, „Unterwegs nach Cold Mountain“), erinnert.
Anker des Zuschauers bleibt Katniss Everdeen (Jennifer Lawrence, „Joy“), deren Stimmung sich durch die geglückte Befreiung ihres Schicksalsgenossen Peeta (Josh Hutcherson, „Red Dawn“) jedoch kaum aufgehellt hat. Folter und Manipulation haben ihn zu einem unberechenbaren nervlichen Wrack gemacht. Für Katniss ist dies ein Grund mehr, Snow persönlich töten zu wollen. Allerdings will Coin das Gesicht des Widerstands nicht gefährden, immerhin gilt es die verbliebenen Bezirke für den entscheidenden Sturm auf das Kapitol zu gewinnen. Nur lässt sich Katniss in ihrem Eifer nicht bremsen. Da trifft sich gut, dass sie neben den Getreuen Gale (Liam Hemsworth, „Triangle“) und Finnick (Sam Claflin, „Die Säulen der Erde“) auch die erfahrenen Soldaten Cressida (Natalie Dormer, „The Forest“) und Boggs (Mahershala Ali, „The Place Beyond the Pines“) an ihrer Seite weiß.
Einziger Risikofaktor bleibt der zu Propagandazwecken mitgeschickte Peeta – und das von Snows Gefolge installierte perfide Fallennetz in dem an Hitlers Germania-Pläne erinnernden Stadtbild des Kapitols. Nicht von ungefähr entstanden Teile des Films in Berlin. Ein Meer aus Öl oder Mutanten mit spitzen Zahnreihen sollen den Vormarsch der Revolutionstruppen stoppen und dünnen bald auch das Gefolge um Katniss aus. Stets eingefangen wird das Geschehen von Kameras. Der Krieg wird hier weniger auf Schlachtfeldern als vielmehr in den Medien ausgetragen. An Aktualität spart der Film damit nicht. Die Wirkung ist trotzdem weniger beständig, da die einzelnen Stationen bis in Snows Herrschaftssitz mit spürbarer Hast bewältigt werden.
Im zweifelsfrei spektakulären und wiederum düster gefärbten Bildersturm kommen einige im Gesamtkontext der Reihe bedeutsame Figuren jedoch merklich zu kurz. Haymitch Abernathy (Woody Harrelson, „Zombieland“), Effie Trinket (Elizabeth Banks, „Our Idiot Brother“), Beetee (Jeffrey Wright, „Casino Royale“), Caesar Flickerman (Stanley Tucci, „Jack and the Giants“) oder Johanna (Jena Malone, „Hatfields & McCoys“) müssen sich mit beiläufigen Auftritten begnügen. Auch das lässt die Erzählung sprunghaft und das Ende, an dem die Grenzen zwischen Gut und Böse endgültig verblassen, überstürzt erscheinen. „Mockingjay – Teil 2“ als Enttäuschung zu bezeichnen, ginge sicher zu weit, aber die Zeit, die in die Ausleuchtung der Charaktere investiert wird, ist diesmal merklich begrenzt. Der Nachhall wird aber insbesondere vom sonnendurchfluteten Epilog getrübt, der die Zerrüttung der um ihre Jugend betrogenen Kindskrieger geradewegs plump – wenn auch der Vorlage entsprechend – ausblendet. In Hollywood sitzen die Wunden eben doch nicht ganz so tief.
Wertung: (6,5 / 10)