„I think these games are gonna be different.“ – Mit solider Vorahnung: Haymitch
Panem, zum Zweiten. Mit allmählich hochkochender Revolution und neuerlicher Menschenjagd in künstlicher Riesenarena. Dabei greift das Prinzip der ersten „Star Wars“-Trilogie, will heißen, der Auftakt funktioniert (auch) für sich betrachtet, während die beiden Folgeteile direkt ineinander mündende Fortsetzungen bilden. Der Anfang von „Catching Fire“, dem Mittelteil von Suzanne Collins‘ dystopischer Saga, ist dabei ein Jahr nach den Geschehnissen von „The Hunger Games“ angesiedelt. In Distrikt 12, der Heimat des Siegerpärchens Katniss Everdeen (mittlerweile Oscar-Preisträgerin: Jennifer Lawrence, „Silver Linings“) und Peeta Mellark (Josh Hutcherson, „Red Dawn“), ist Normalität eingekehrt. Aber das Zeichen, das Katniss in der Auflehnung gegen das vom diktatorischen Machtgefüge oktruierte Spielprinzip gesetzt hat, nährt in den geknechteten Menschen den Drang des Umsturzes.
Präsident Snow (Altstar Donald Sutherland, „Wenn die Gondeln Trauer tragen“) weiß um die Gefahr und sucht Katniss auf, um sie hinsichtlich einer geplanten Propagandatournee auf systemtreuen Kurs zu bringen. Vor den Kameras soll sie die Illusion aufrecht erhalten, dass sie mit Schicksalsgenosse Peeta liiert sei. Dass sie in Wahrheit Minenarbeiter Gary (Liam Hemsworth, „The Expendables 2“) liebt, gibt Snow nachhaltiges Drohpotenzial. Erfreulich ist, dass Regisseur Francis Lawrence („I Am Legend“) der Tonalität des Erstlings treu bleibt. Entgegen archetypischer, auf visuellen Bombast setzender Blockbuster bedeutet dies ein zurückhaltend figuriertes Zukunftsszenario mit retrospektivem Touch. Der darbenden Arbeiterschaft in den ländlichen Sektoren mit Weltwirtschaftskrisenflair steht die lächerlich kostümierte Boheme in der Hauptstadt gegenüber, die rauschende Feste feiert und Brechmittel konsumiert, um sich über den bloßen Hunger hinaus mit den knappen Nahrungsmitteln vollstopfen zu können.
In Szenen wie diesen reicht „Catching Fire“ an die großen Werke schwarzmalerischer Science-Fiction heran und beschwört quasi-sozialistische Auflehnungslehren. Das Palve! wird hier durch einen Dreifingerzeig ersetzt, der Katniss und Peeta auf ihrer Tour durch die Distrikte begleitet. Trocken verlesene Reden ihrer regimetreuen Begleiterin Effie Trinket (Elizabeth Banks, „W.“) und die distanzierte Beziehungscharade ändern daran nichts. Entsprechend wenig begeistert ist Präsident Snow, der mit Plutarch Heavensbee (Philip Seymour Hoffman, „Moneyball“) einen neuen Verantwortlichen für die Hungerspiele berufen hat. Und da sich die 75. Ausgabe des an die gewaltsame Niederschlagung der letzten Revolution erinnernden Events nähert, hat sich dieser etwas Besonderes ausgedacht: Statt neuer jugendlicher Auserwählter aus allen Distrikten, die sich bekämpfen, bis es nur einen Überlebenden gibt, sollen per Los gezogene Sieger der Vorjahre gegeneinander antreten.
Da Katniss als einzige Siegerin aus Distrikt 12 gesetzt ist, hofft Snow das Problem ihrer Vorbildfunktion bald beseitigt zu haben, ohne selbst für ihre Tötung verantwortlich gemacht werden zu können. Doch obwohl sie alles daran setzt, dass ihr trinksüchtiger Mentor Haymitch Abernathy (Woody Harrelson, „7 Psychos“) bei Ziehung von Peetas Namen an seiner Statt in die Arena tritt, kommt es genau umgekehrt. Was folgt sind Gesten des Widerstands und das Werben bei den Reichen und (äh) Schönen – ein Höhepunkt ist wieder Stanley Tucci („Jack and the Giants“) als geölter Moderator Flickerman – um materielle Unterstützung. Tatsächlich finden Katniss und Peeta im Trainingslager Verbündete, darunter Finnick Odair (Sam Claflin, „Snow White and the Huntsman“), Johanna Mason (Jena Malone, „Donnie Darko“) sowie die Intellektuellen Beetee (Jeffrey Wright, „The Ides of March“) und Wiress (Amanda Plummer, „Pulp Fiction“).
Mit Betreten des „Spielfelds“, einer Dschungelwelt mit Zentralgewässer und tödlichen Fallen (ätzender Nebel, Killeraffen, Springfluten), wiederholt der Film die Grundzüge des Vorgängers und folgt trotz Variierungen bekannten Mustern. Die Gefahr durch Mitspieler ist dabei weit weniger präsent als die der künstlich angelegten Szenerie, was einer etwas oberflächlichen Konfliktanhäufung Raum verschafft. Hinter der düsteren Nachzeichnung des menschenverachtenden Machtapparates zum Auftakt steht die actionorientierte zweite Hälfte (inklusive Katniss‘ selbstfüllendem Bogenköcher!) zurück. Deren Bedeutung für den weiteren Fortlauf der Geschichte offenbart sich jedoch erst am offenen Finale, das lediglich die Weichen für den abschließenden (zweigeteilten) dritten Part stellt. Dank der – für Hollywood-Jugendfilmverhältnisse – noch immer ungewöhnlich abgründigen Herangehensweise und den ansehnlichen Darstellerleistungen packt auch „Catching Fire“. Die Vorfreude auf den letzten Akt bleibt also ungeachtet der nicht vollends überzeugenden „Battle Royale“ ungebrochen.
Wertung: (7 / 10)