Wer „Die fabelhafte Welt der Amelie“ kennt, dem sollten die Macher Jean-Pierre Jeunet und Marc Caro ein Begriff sein. „Die Stadt der verlorenen Kinder“ gab es schon etliche Jahre vor „Amelie“ und war seinerzeit mit „Delicatessen“, dem Erstling der beiden, als skurrile Märchen für Erwachsene eine echte Entdeckung. Jeunet und Caro schaffen eine utopische Stadt, die bedrohlich und phantastisch auf dem Meer zu treiben scheint. In einer Hafenstadt lebt One (Ron Perlman, „Cronos“), ein Mann aus dem Zirkus. Er ist übergroß und immens stark. One ist auf der Suche nach seinem kleinen Bruder, der wie es aussieht verschleppt worden ist.
One ist verzweifelt und streunert an den Kais entlang, wo er auf Miette (Judth Vittet) trifft, die einer Bande von Straßenkindern angehört. Beide machen sich in dieser düsteren Welt auf die Suche nach dem kleinen Jungen. Auf einer Ölbohrinsel wohnt Krank (Daniel Emilfort, „Piraten“), ein zynischer alter Mann. Wegen eines körperlichen Defekts ist er nicht mehr in der Lage zu träumen und durch diesen Zustand altert Krank viel zu schnell. Er läßt Kinder entführen, um sie ihrer Träume zu berauben. Auch Ones kleiner Bruder ist von Kranks Lakaien auf die Insel entführt worden. Die Suche nach dem Jungen stellt sich als nicht ganz einfach heraus, so erschweren skurrile Charaktere wie ein siamesisches Zwillingspaar und die Zyklopenbande von Krank, den Weg der beiden.
Ein wunderbar utopischer Film. Eine Welt wird geschaffen, die in keinem eigens produzierten Alptraum besser hätte Platz finden können. Grotesker Humor paart sich mit rabenschwarzer Poesie. Das Duo Jeunet/Caro hatte bereits mit „Delicatessen“ eine prächtige groteske abgeliefert. War dieser in braunen Tönen gehalten und hatte etwas Schummriges an sich, so war „Amelie“ ein verträumtes Großstadtmärchen und quietschte nur so vor bunten Farben mit sattem Rot und saftigem Grün. „Die Stadt der verlorenen Kinder“ dominiert durch seine Schwarz-, Blau- und Grüntöne. Was bei den beiden anderen Filmen als fröhlich und überzeichnet bezeichnet werden konnte, wirkt hier böse, angsteinflößend und durchaus gefährlich. Jeunet und Caro wissen, wie sie ihre Story in Atmosphäre verpacken müssen, ohne viele Worte zu gebrauchen. Was aber ganz besonders bei den beiden ist, sie benutzen in ihren Filmen soweit es geht immer die gleichen Darsteller. Es sind Meister.
Wertung: (8 / 10)