„Now, if you don’t mind, it’s time we milked the alpacas.“ – Nathan
In der jüngeren Vergangenheit hat Oscar-Preisträger Nicolas Cage („Leaving Las Vegas“) ein Faible für am Fließband produzierte B-Filme entwickelt. Auf der großen Leinwand ist er nur noch selten zu erleben. Wie es scheint, hat der einstige Blockbuster-Star seine einträgliche Nische im Heimkino-Segment gefunden. Hier hat sein Name noch Gewicht. Im Gegensatz zum Gros der betreffenden Werke. Doch es gibt Ausnahmen. Meist sind es Independent-Produktionen. Solche wie „The Trust“ (2016) oder der Achtungserfolg „Mandy“ (2018). Ein weiteres, nicht allein aufgrund des Titels durchaus schillerndes Beispiel ist „Die Farbe aus dem All“.
Der eigenwillige Sci-Fi-Mystery-Horror-Hybrid fußt, wie u. a. auch Ivan Zuccons „Saat des Bösen“ (2008), auf einer Kurzgeschichte von H.P. Lovecraft. Bereits das offenbart die Abstinenz konventioneller Genre-Mechanismen. Dazu passt Co-Autor und Regisseur Richard Stanley. Der Wahl-Franzose bewies mit „M.A.R.K. 13 – Hardware“ (1990) und „Dust Devil“ (1992) abseits des Mainstreams bemerkenswertes Geschick, ehe ihn die Mühlen Hollywoods zermalmten. Wie es dazu kam, veranschaulicht die sehenswerte Dokumentation „Lost Soul“ (2014), die das Chaos hinter der Produktion der Klassiker-Verfilmung „The Island of Dr. Moreau“ (1996) – deutscher Titel: „DNA – Experiment des Wahnsinns“ – beleuchtet. Nah am Wahnsinn führt auch „Die Farbe aus dem All“ vorbei. Wenn auch vorrangig für die Figuren.
Im Zentrum steht Familie Gardner: Vater Nathan (Cage), Mutter Theresa (Joely Richardson, „Nip/Tuck“), Tochter Lavinia (Madeleine Arthur, „To All the Boys I’ve Loved Before“) sowie die Söhne Benny (Brendan Meyer, „The Guest“) und Jack (Julian Hilliard, „Spuk in Hill House“). Auf der Farm im idyllischen Nirgendwo hält (und melkt) Nathan Alpakas. Lavinia beschwört Naturgeister, um die an Krebs erkrankte Theresa zu heilen. Benny gibt sich dem Konsum berauschender Substanzen hin und Jack ist das Nesthäkchen. Eine fast normale Sippschaft also, mit Spleens und Problemen. Doch all das spielt keine Rolle mehr, als ein Meteorit auf dem Grundstück der Gardners einschlägt.
„Meteorites are generally no more dangerous than ordinary rocks.“ – Ward
Der taucht die Nacht in ein gleißendes pinkes Licht, zieht Blitze an und lässt die Natur farbenprächtig erblühen. Während Lavinia den Gesteinsbrocken aus dem Weltraum als Zeichen erachtet, steht Jack zunächst unter Schock. Der Beginn einer Veränderung, die über eine fremde Macht Land und Leute zu befallen scheint. Alptraumhafte Visionen nehmen zu. Die Katze von Exzentriker Ezra (Kiffer-Komiker Tommy Chong, „Cheech & Chong“), der ebenfalls auf dem Grund der Gardners lebt, verwandelt sich in eine groteske Kreatur. Ward Phillips (Elliot Knight, „American Gothic“), der das Wasser in der Region untersucht, bemüht sich um eine wissenschaftliche Erklärung. Statt Antworten bietet sich ihm – und allen voran Nathan und seiner Familie – jedoch das blanke Grauen.
In atmosphärischen, dem esoterischen Charakter Stanleys entsprechenden Bildern wird der Zerfall – oder besser die Verwandlung – der Protagonisten zelebriert; u. a. mit einer bizarren, den Body-Horror streifenden körperlichen Fusion und Cages typischem, hier einmal mehr durchaus funktionalem Hang zum Overacting. Allerdings lässt sich die Erzählung Zeit, ehe der auch tricktechnisch offensive Schrecken den eigenwilligen Genre-Mix zu prägen beginnt. Stellvertretend für die dezente Dehnung steht die am Rande der Geschichte verschenkte Q’orianka Kilcher („The Alienist“) als Bürgermeisterin mit umfänglichen infrastrukturellen Plänen für die Region.
Das zunehmend seltsame Verhalten lässt sich durch die leicht exzentrische Färbung der Gardners zunächst nicht zwingend auf den Einfluss des Meteoriten zurückführen. Doch die Verstümmelung einer Hand beim Gemüseschneiden – „Suicide Circle“ (2001) lässt grüßen – oder Jacks Glaube an eine den nahen Brunnen bewohnende Lebensform lassen Wahn mehr und mehr zur Wirklichkeit werden. Als Gegenpol der Vernunft fungiert Ward, der mit Sheriff Pierce (auch als Produzent gelistet: „Raze – Fight or Die“-Regisseur Josh C. Waller) am Ende Zeuge der surrealen Zerrüttung wird. Unter dem Strich bleibt ein wohl inszeniertes, sympathisch gegen den konventionellen Genre-Duktus gebürstetes Potpourri des Schreckens mit sehenswerten Darstellern und einem Hang zu psychedelischen Untertönen. Für Nicolas Cage fraglos ein kleines Highlight seiner Zweitkarriere als Fließband-Recke im B-Metier.
Wertung: (6,5 / 10)