Der weiße Hai (USA 1975)

der-weisse-hai1975 war Steven Spielberg noch keine allzu große Nummer im Filmgeschäft. Nach einer Reihe von TV-Produktionen und dem ersten Kinofilm „The Sugarland Express“ führte dann aber die Verfilmung des Peter Benchley-Romans „Jaws“ zu seinem Durchbruch und machte ihn zu einem der Prinzen des New Hollywood. Der Beginn einer ausnehmenden Karriere.

Das Inselvolk des Eilands Amity ist es eher ruhig gewohnt. Daher gibt es für den aus New York versetzten Polizeichef Brody (Roy Scheider, „Das fliegende Auge“) auch nicht viel zu tun. Doch als eine verstümmelte Mädchenleiche am Strand angespült wird, wird der mittelalte Polizist aktiv. Nachdem ein Haiangriff als Todesursache festgestellt wurde, will er die Strände sperren, um die Gefahr einzudämmen. Doch der Sommer ist da, und Amity lebt vom Sommergeschäft mit Touristen. Daher eröffnet Bürgermeister Vaughn (Murray Hamilton, „Brubaker“) die Strände wieder, um das wirtschaftliche Überleben der Stadt zu sichern.

Als jedoch am ersten Tag der Saison ein kleiner Junge von dem Hai getötet wird, nimmt Brody, der eine unglaubliche Angst vor Wasser hat, die Sache selbst in die Hand. Zusammen mit dem Fischer Quint (Robert Shaw, „Der Richter und sein Henker“) und dem Forscher Hooper (Richard Dreyfuss, „Unheimliche Begegnungen der Dritten Art“) fährt er aufs Meer hinaus, um den Hai zu töten. Doch auf hoher See vertauschen sich die Rollen – die Jäger werden zu Gejagten.

„Der weiße Hai“ war und ist sicher einer der wichtigsten Filme der Kinogeschichte. Er verbindet die Suspense der Hitchcock’schen Thriller mit den technischen Neuerungen und Erzählweisen des New Hollywood. Heraus kommt dabei einer der wohl mit Abstand besten Spannungsbögen, die jemals auf Zelluloid gebannt wurden. Bis wir dann endlich den Fisch zu sehen bekommen, ist schon ein Menge Zeit ins Land gegangen. Trotzdem kommt keine Langeweile auf. Dabei sind die Darsteller eher austauschbar. Zwar sind alle Rollen Top besetzt, aber viel Mühe mit der Schauspielerführung hat sich Spielberg offensichtlich nicht gegeben. Umso besser, dass Scheider, Dreyfuss und Shaw so fantastisch harmonieren.

Die Szene nahe am Ende des Films, wenn Quint und Hooper Verletzungen vergleichen, ging nicht nur völlig zu recht in die Filmgeschichte ein, sie ist auch die emotional mit Abstand stärkste der ganzen Reihe. Gerade der routinierte Robert Shaw trägt diesen Dialog. Doch der Star des Films ist und bleibt der Plastikhai. Spielberg schaltet gelegentlich sogar in die Perspektive des Killerfischs, was ganz neue Darstellungsformen ermöglichte. Denn „Der weiße Hai“ steht und fällt mit der fantastischen Kameraführung. Sei es eben die Ego-Perspektive des Fischs oder der von Hitchcock übernommene „Vertigo“-Effekt, diese Vielfalt und Qualität der technischen Neuerung, gepaart mit der schamlosen Übernahme von althergebrachtem, macht aus diesem Werk eben mehr als einen einfachen Monsterfilm.

„Der weiße Hai“ ist einer der besten Filme der 70er. Zusammen mit dem zwei Jahre später entstandenem „Star Wars“ bestimmte Spielberg die ästhetische und erzählerische Ausrichtung des Kinos für zumindest die nächsten 25 Jahre – das Nachbeben ist noch immer zu spüren. Denn sei es Kevin Smith mit offensichtlichen Liebeserklärungen oder „Matrix“, das sich ebenfalls an einer Mischung aus altbewährten Erzählperspektiven und neuen Erzählstrukturen, hier hauptsächlich die ausgefeilten Effekte, der Geist des Fischfilms schwingt im Popcornkino immer mit. Einer der besten Spielberg-Filme überhaupt.

Wertung: 9 out of 10 stars (9 / 10)

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