Der Unsichtbare (USA/AUS 2020)

„He said that wherever I went, he would find me, walk right up to me, and I wouldn’t be able to see him.“ – Cecilia

Eine Frau bricht aus. Buchstäblich. Ihr Gefängnis ist die Beziehung zu einem gewalttätigen Kontroll-Freak. Und weil die Frau von Elizabeth Moss („The Handmaid’s Tale“) gespielt wird, ist die mit den extremen Lebensumständen einhergehende psychische Belastung mehr als nur eine vage Andeutung. Tatsächlich gelingt ihrer Cecilia Kass die Flucht aus der Isolation – und dem zerstörerischen Einfluss ihres Lebensgefährten Adrian Griffin (Oliver Jackson-Cohen, „Spuk in Hill House“). Damit könnte die Geschichte zu Ende sein. Doch mit Produzent Jason Blum („Insidious“, „The Conjuring“) und Autor/Regisseur Leigh Whannell („Saw“) ist eine solch simple Abhandlung nicht zu machen.

Also muss Cecilia durch eine weitere Hölle, die zunächst wie ein Himmel erscheint. Denn dem mit Schwester Emily (Harriet Dyer, „The Other Guy“) realisierten, von steter Paranoia begleiteten Untertauchen bei Polizist James (Aldis Hodge, „Black Adam“) und dessen Tochter Sidney (Storm Reid, „The Nun II“) folgt die Nachricht vom Selbstmord ihres Peinigers. Das Aufatmen ist jedoch nicht von Dauer. Schließlich ist Optik-Ingenieur Adrian ein Genie (gewesen) und hat – der Titel lässt es erahnen – eine Technologie entwickelt, die unsichtbar macht. Das Wissen des Publikums um dieses Gimmick nutzen Blum und Whannell zu ihrem Vorteil, indem sie scheinbar unbedeutende Innenraum-Einstellung clever ausreizen. Die Bedrohung könnte schließlich überall lauern. Oder eben auch nicht.  

Um den Terror zunehmend auf die Spitze zu treiben, muss Cecilia erneut isoliert werden. Wer würde schon die Geschichte eines unsichtbaren Angreifers glauben? Dass sie psychotisch sein könnte, bleibt aber nur eine Erwägung am Rande. Allerdings beherrscht Elizabeth Moss solche Rollen mit Bravour. Sie ist der Trumpf eines Horrorfilms, der die literarische Wurzel H. G. Wells‘ – und die berühmte Erstverfilmung von 1933 – für einen modernen Blick auf weibliche Selbstermächtigung nutzt. Dass die Präsenz des gestaltlosen Adrian für die Zuschauenden früh offenbar gemacht wird, mindert die Wirkung keineswegs. Denn die Geschichte verläuft bei weitem nicht so geradlinig, wie es nach Cecilias Erkenntnis der Rückkehr ihres totgeglaubten Tyrannen erscheinen mag. 

Eine wesentliche Rolle nimmt Adrians Bruder Tom (Michael Dorman, „Triangle“) ein, dessen Bedeutung aber zunächst vage bleibt. Als Cecilia jedoch unter Mordverdacht gerät und in eine geschlossene Heilanstalt verfrachtet wird, erschließt sich langsam das gesamte Ausmaß ihrer einstigen Fremdsteuerung. Was bleibt ist eine Gegenwehr, die der Perfidität ihres Gegenübers in nichts nachsteht. Dass vor allem das Schlussdrittel überkonstruiert wirkt, bleibt verzeihlich. Denn vor allem Moss‘ intensivem Spiel ist es zu verdanken, dass der Leidensweg ihrer Figur auch am Publikum nicht spurlos vorübergeht. Damit beweist Blum einmal mehr, dass es keine allzu üppigen Budgets und literweise spritzendes Kunstblut braucht, um die Zielgruppe zu fesseln. Dass der Film mit Vorlage und Erstverfilmung lediglich Titel und Thema teilt, stößt dabei nur Puristen auf.   

Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

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