„One ring to rule them all. To find them. One ring to bring them all, and in the darkness bind them.“
J.R.R. Tolkiens „Der Herr der Ringe“ ist das ultimative Fantasy-Epos. In den Neunzehnsiebzigern, mehr als zwei Jahrzehnte vor Peter Jacksons beeindruckender Leinwandadaption der klassischen Trilogie, suchten verschiedene Filmemacher nach einem Weg, das Mammutwerk auf Zelluloid zu bannen. Einer von ihnen soll Stanley Kubrick gewesen sein, der die Idee jedoch aufgrund mangelnder Realisierbarkeit verwarf. Weiter kam da schon Ralph Bakshi („Die Welt in 10 Millionen Jahren“), der anno 1978 die erste Hälfte der Gesamtgeschichte als Zeichentrickfilm umsetzte. Die geplante Fortsetzung scheiterte trotz des Erfolgs an den Kinokassen jedoch am mangelnden Interesse der Finanziers.
An Bakshis keineswegs misslungenem Versuch, Tolkiens Meisterwerk Herr zu werden, scheiden sich die Geister bis heute. Tatsächlich bleibt der Film ein zwiespältiges Vergnügen: zweifelsfrei ambitioniert und mit einigen Schauwerten realisiert, technisch allerdings inkonsistent, bisweilen gar unzulänglich. Das zeigt sich vor allem am Einsatz des Rotoskopie-Verfahrens, bei dem Szenen mit echten Schauspielern gedreht und später übermalt werden. Was bei Bakshis „Feuer und Eis“ 1983 überzeugend funktionieren sollte, führt hier allerdings in unschöner Regelmäßigkeit zur klaren Erkennbarkeit der nachbearbeiteten menschlichen Vorlagen. Als rundheraus misslungen sind dabei die in den Zwergen-Minen von Moria erstmals auftauchenden Orks zu bezeichnen. Die unter glühenden roten Augen und weißen Hauern „verborgenen“ Statisten bleiben nicht nur ohne erkennbares Profil, sondern bewegen sich teilweise auch asynchron zu den ihnen übergestülpten Zeichnungen.
Beim Prolog, der die komplexe Vorgeschichte als Schattenspiel abhandelt, erscheint das Wirken der realen Mimen noch stimmig. Dabei berichtet Bakshi im Eiltempo von den Ringen der Menschen, Zwerge und Elben. Und dem dunklen Herrscher Sauron, der den einen Ring schafft, um Mittelerde zu unterwerfen. Zwar kann er im Kampf besiegt werden, der Ring bleibt jedoch erhalten. So lebt der Geist Saurons fort und kann über die Jahrhunderte wieder erstarken. Von Smeagol, der unter dem Einfluss des Rings zum zauseligen Wesen Gollum wird, gelangt das machtvolle Schmuckstück letztlich an den (kleinen) Hobbit Bilbo Beutlin. Als der Jahre später Geburtstag feiert, übergibt er den Ring auf Geheiß des Zauberers Gandalf an seinen Neffen Frodo. Ihm obliegt es, weitere 17 Sommer später, das Machtzentrum des zu neuer Stärke gelangten Bösen im Feuer des Schicksalsberges zu vernichten.
Dabei behilflich ist ihm eine Reihe von Gefährten, darunter sein treuer Freund Samweis Gamdschie sowie seine Vettern Merry und Pippin. Als Bürdenträger muss Frodo das gefährliche Artefakt zunächst nach Bruchtal bringen. Unterwegs stößt der furchtlose Streicher (im Original mit der Stimme von John Hurt, „Alien“) zu ihnen, der eigentlich Aragorn heißt und später zum König gekrönt wird. Doch so weit kommt Bakshi nicht. In rund zwei Stunden arbeitet er sich hastig an den relevanten Stationen der ersten Hälfte ab: Elronds Rat, Moria, die Elben-Hochburg Lothlorien, Frodos Begegnung mit Gollum. Das Ende markiert die Schlacht bei Helms Klamm. Bis dahin ist die Bande der Gefährten, ergänzt durch Elb Legolas (gesprochen von Anthony „C3PO“ Daniels), Zwerg Gimli und den sturen Kämpfer Boromir, längst zerschlagen. Für jede Episode bleiben nur wenige Minuten. Dennoch wirkt Bakshis Exzerpt weitgehend sinnvoll eingekürzt und durchaus rund erzählt.
Überraschen mögen, zumindest in der Nachbetrachtung, manch visuelle Parallelen zur Vision Peter Jacksons (u. a. die schicksalhafte Begegnung mit dem Balrog in Moria). Allerdings sind die leicht mit Tolkiens detaillierten Beschreibungen von Länder und Leuten erklärbar. Bakshis actionreiches, ohne größere Verschnaufpause ausgebreitetes Destillat wird sowohl den fröhlichen als auch den düsteren Aspekten gerecht – selbst wenn die letzteren, beispielsweise getragen durch die Ringgeister oder vereinzelt gewaltvolle Sequenzen, in der Überzahl bleiben. Der Komplexität von Tolkiens Jahrhundertwerk wird die Trickfilmadaption kaum gerecht. Als frühe Näherung an einen lange als unverfilmbar geltenden Klassiker macht „Der Herr der Ringe“ aber auch gegenwärtig noch Eindruck. Sofern man denn gewillt ist, über die nicht durchweg stimmige technische Umsetzung hinwegzusehen.
Wertung: (6 / 10)