Die nächste Fantasy-Saga, der nächste Streitfall. Diesmal trifft es „Der goldene Kompass“, ein mit geschätzten 180 Millionen Dollar sündhaft teures Familienmärchen, bei dem die prominente Besetzung und die Oscar-prämierten Computereffekte die Unschlüssigkeit der Verfilmung von Philip Pullmans Erfolgsroman zu verbergen suchen. Mit zweifelhaftem Erfolg. Das offenbart bereits der neue 007-Darsteller Daniel Craig, der als Wissenschaftler, Entdecker und Abenteurer Lord Asriel an den undankbaren Rand gedrängt wird. Wichtig wird er wohl in der Zukunft der Geschichte. Hier wirkt er nur vergeudet.
Pullmans Welt hüllt sich auf der Leinwand in fantastischen Retro-Futurismus, dessen zeitlos gehaltenes Wunderland recht mittelalterlichen Gebräuchen unterworfen ist. Erinnerungen an verschiedene andere popkulturelle Heldenepen werden wach, mehr noch deren filmische Adaptionen, wobei es anfangs „Harry Potter“ obliegt, für Inspirationen zu sorgen. Denn auch in dieser Welt, wo die Menschen ihre Seelen nicht in sich tragen, sondern über sogenannte Dämonen in Tiergestalt als Gefährten bei sich führen, gibt eine Art magischer Behörde den Ton an.
Dieses Magisterium, in dem auch Alt-„Dracula“ Christopher Lee seinen verdienten Rang erhält, verdammt die versuchte Widerlegbarkeit seines ideologischen Grundstocks als Ketzerei und setzt alles daran, die Erschließung neuer Welten zu verhindern. Jedoch ist es wieder einem auserwählten Kind vorbehalten, den bösen Mächten zu trotzen. Hier ist es Asriels kecke Nichte Lyra (Dakota Blue Richards), die sich intuitiv auf die Handhabung des titelgebenden Artefakts, eine Art mechanischer Wahrheitsfinder, versteht. Mit dem Anfang ihrer Odyssee wird die Vorlage auf ein gedrängtes Minimum eingedampft.
Mit dem fliegenden Cowboy Scoresby (Sam Elliott, „Ghost Rider“) und dem gestürzten Eisbärkönig Iothel, im Original mit der Stimme von Ian McKellen („Der Herr der Ringe“) versehen, schart Lyra schlagkräftige Gefährten um sich. Deren Hilfe ist auch bitter nötig, schließlich stellt sich das Mädchen einem Arm des Magisterium in den weg, der an Kindern und ihren Dämonen verwerfliche Experimente durchführt. Auf des Gegners Seite findet sich auch Nicole Kidman („The Hours“), die als undurchsichtige Mrs. Coulter finstere Blicke aufsetzt und den gegenläufigen Eindruck des optisch Imposanten wie inhaltlich Vagen stützt.
Alles scheint wesentlich, kein Detail beiläufig. Jedoch verdichtet sich die Aneinanderreihung von Andeutungen nicht zu einer schlüssigen Narrative. Das Neverland von Regisseur Chris Weitz („About a Boy“) bleibt eine aufregende Reizerfahrung, die mit Erläuterungen zum Wesen ihrer Welt aber nur allzu sparsam umgeht. Dazu kommen die vielen bekannten Versatzstücke, an deren Gipfel der klassische „Luke, ich bin dein Vater“-Twist steht. Am Ende des oberflächlichen Augenschmauses ist die erste Schlacht des Krieges geschlagen. Zwei weitere Filme sollen folgen. Dann hoffentlich mit schlüssigerem Auskommen.
Wertung: (6 / 10)