Das Milieu ist schäbig. Es findet sich im Hamburg der 1970er, irgendwo zwischen Kiez-Kaschemme und Standard-Wohnblock. Hier ist Fritz Honka (Jonas Dassler, „Werk ohne Autor“), genannt Fiete, zu Hause, ein entstellter Mann mittleren Alters. Seine Stammkneipe, „Zum Goldenen Handschuh“, ist zugleich sein Jagdrevier. Hier verkehren viele, die durchs soziale Raster gefallen sind. Abgewrackte Prostituierte, kauzige Säufer, dazwischen die Erlösung oder zumindest Obdach und eine warme Mahlzeit verheißende Frau von der Heilsarmee. Am Tresen, in einer Reihe mit „Soldaten-Norbert“, „Doornkaat-Max“ (Hark Bohm, „Wer wenn nicht wir“) und „Tampon-Günther“, schüttet sich auch Fiete mit Bier und Schnaps voll. Nicht selten bis zum Schmiersuff.
Immer mal wieder nimmt er eine der heruntergekommenen Damen mit nach Hause. Was dann geschieht, veranlasste Regisseur Fatih Akin („Gegen die Wand“) zur Frage, wer sich das von ihm gedrehte True-Crime-Drama überhaupt anschauen wolle. Denn mit klassischen Unterhaltungsmustern ist dies rabiate Milieu- und Charakter-Portrait nicht in Einklang zu bringen. Im Gegensatz zur Buchvorlage von Heinz Strunk („Fleisch ist mein Gemüse“), der als Gast der titelgebenden Kiez-Kneipe einen Kurzauftritt absolviert, konzentriert sich die Kinoadaption allein auf Fiete. Der für den eigentlichen Fokus unerhebliche Nebenplot um eine Hamburger Reeder-Familie bleibt zurecht ausgespart.
Wenn er der Frauen überdrüssig wird, ermordet Fiete sie in seiner Wohnung. Die Taten zeigt Akin in quälend langen Einstellungen, in denen der erst 22-jährige Dassler wie besessen auf seine Opfer, darunter „Stromberg“-Empfangsdame Martina Eitner-Acheampong, einschlägt oder sie über Minuten würgt. Die Leichen zersägt er und deponiert sie in den Zwischenwänden seiner Dachgeschosswohnung. Den zunehmend quälenden Gestank überdeckt Fiete mit Duftbäumen. Eine, mit der er es länger aushält, ist Gerda (Margarethe Tiesel, „Hinterland“). Er lässt sie bei sich wohnen, teilt ihr Schnapsrationen zu und vergeht sich an ihr mit Kochlöffel und Knackwurst. Einen Hauch von Normalität vermittelt einzig ein Besuch von Fietes Bruder Siggi (Marc Hosemann, „Tschick“), der nach zu viel hartem Alkohol aber in Selbstmitleid versinkt.
Gerade diese Sequenz verdeutlicht die Schwachpunkte von „Der Goldene Handschuh“: Das Schauspiel der unzweifelhaft einsatzfreudigen Besetzung rangiert bisweilen nah am Overacting. Und der im Vergleich zur verkörperten Figur wesentlich jüngere Dassler mag zwar hinter einer gelungenen Maske verborgen sein, nur erscheinen seine Hände viel zu glatt und unverbraucht. Überlagert werden diese Aspekte vom sorgfältigen Zeitkolorit und der Ausstattung von Fietes Wohnung, deren detailvernarrte Rekonstruktion durch die Originalfotografien im Abspann nachhaltige Adelung erfährt. Unter der authentischen Oberfläche weicht Akins Nacherzählung aber in relevanten Aspekten von Strunks Duktus ab. Das wohl wesentlichste Merkmal ist der groteske Anstrich, der den Figuren – und dabei gerade den schablonenhaften Opfern – das bisschen Würde nimmt, das ihnen im Buch bei aller sprachlichen Derbheit zugestanden wird.
Dazu trägt auch der Umstand bei, dass der Film-Fiete nur zu töten scheint, wenn ihn Alkohol und Selbstbetrachtung zurück in den Abgrund zerren. Eine Anstellung als Nachtwächter mit amourösem Interesse an Reinigungskraft Helga (Katja Studt, „Über den Tag hinaus“) lässt ihn Hoffnung auf Normalität schöpfen. Aber die kann es nicht geben. So geht das Morden weiter. Und da Fietes Perspektive mit ihrem frauenverachtenden Fokus ist, was „Der Goldene Handschuh“ maßgeblich prägt, fällt das Bildnis des Fritz Honka weniger distanziert aus, als es für die Leinwandadaption gut wäre. Dass ihm am Ende ein Zufall zum Verhängnis wird, ändert daran nichts. Für sich genommen bleibt das ruppige Drama sehenswert. Damit allein lassen sich die zwiespältigen Faktoren allerdings kaum aufwiegen.
Wertung: (6 / 10)