„Hört auf, sie so zu sehen, wie sie nicht waren.“ Was Brigitte Mohnhaupt der zweiten Generation der RAF nach den Selbstmorden von Stammheim einbläut, kann auch als reüssierendes Statement eines Filmes verstanden werden, der mit dem Mythos des linksradikalen deutschen Terrorismus ausräumt. Zweifelsfrei wagen sich Erfolgsproduzent Bernd Eichinger („Das Parfüm“), der nach dem gleichnamigen Buch von Ex-SPIEGEL- Chefredakteur Stefan Aust auch das Drehbuch schrieb, und Regisseur Uli Edel („Letzte Ausfahrt Brooklyn“) mit „Der Baader Meinhof Komplex“ auf kontroverses Terrain. Ihre akribische Rekonstruktion jedoch hat mit Verklärung nichts zu tun. Im Gegenteil.
Andreas Baader, seine Geliebte Gudrun Ensslin und die populäre Kolumnistin Ulrike Meinhof sind der harte Kern des bewaffneten Widerstands. Wie ihre Gefolgschaft werden sie als das offenbart, was sie waren – feige Mörder. Gezeigt werden die Menschen, vorrangig aber die kaltblütigen Kriminellen, die gegen den ihrer Ansicht nach neuen Faschismus zu Felde zogen. Gemeint ist der Kapitalismus, der amerikanische Imperialismus, der in Vietnam, dem nahen Osten wütete. Was es brauchte war eine globale Vernetzung des kämpfenden Untergrunds. Die RAF bemühte sich um diesen und brachte durch gezielte Attentate die Grundpfeiler der Demokratie ins Wanken.
Der Film beginnt 1967, am Strand von Sylt, mit Meinhof (Martina Gedeck, „Das Leben der Anderen“) und ihren Kindern. So viel Idylle wird es nicht wieder geben. Es folgen der „Polizeistaatsbesuch“ des Schahs von Persien, der Tod Benno Ohnesorgs, die Schüsse auf Rudi Dutschke. Das Ende liegt im „Deutschen Herbst“ des Jahres 1977, als die entführte Passagiermaschine „Landshut“ aus Terroristenhand befreit und Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer, mit dessen Entführung Baader (Moritz Bleibtreu, „Elementarteilchen“), Ensslin (Johanna Wokalek, „Nordwand“), Raspe (Niels Bruno Schmidt, „Das Blut der Templer“) und andere freigepresst werden sollten, ermordet wird.
Beeindruckend ist der Detailreichtum, mit dem Eichinger und Edel die Vergangenheit aufarbeiten. Dramaturgische Freiheiten erlauben sie sich nur am Rande, wo die Historie nicht verfälscht werden kann. Bei Heino Ferch („Marlene“) zum Beispiel, der den fiktiven Assistenten des BKA-Chefs Horst Herold (Bruno Ganz, „Der Untergang“) spielt. Den immensen Aufwand der Produktion spiegelt auch die pompöse Besetzung wider. Ob Stipe Erceg („Die fetten Jahre sind vorbei“) als sich in Haft zu Tode hungernder Holger Meins, Nadja Uhl („Kirschblüten – Hanami“) als Brigitte Mohnhaupt oder solche wie Alexandra Maria Lara („Control“) und Jan Josef Liefers („Die Nachrichten“), die oft schonungslose Geschichtsstunde wird zum Schaulaufen der deutschen Filmelite.
Die Stars aber stehen der Intention nicht im Wege. Viele von ihnen spielen brillant, allen voran Gedeck, Bleibtreu und Wokalek. Trotz ihrer intensiven Verkörperung der Täter aber geht es weniger um die Motive der verächtlichen Bluttaten, als vielmehr deren bewusst sachliche Darstellung. Nüchtern, in fast dokumentarischem Stil, werden 10 Jahre deutschen Ausnahmezustandes in zweieinhalb packenden Stunden komprimiert. Bisweilen erweckt das den Eindruck, die Bundesrepublik habe sich in andauerndem Kriegszustand befunden. Doch „Der Baader Meinhof Komplex“ ist eine Chronik, aus Sicht der Täter, bei der nichts verharmlost und nichts beschönigt wird. Streitig bleibt das Thema noch immer. Der Film aber hilft, den Diskurs nicht unter Billigung der Gewalt zu führen.
Wertung: (8 / 10)