Der Aal (J 1997)

der-aalDie Poesie des Schmerzes: Während der Angestellte Yamashita (Koji Yakusho, „Cure“) des Nachts angeln geht, vergnügt sich seine Frau mit einem anderen Mann. Ein anonymer Brief lässt ihn die Untreue erkennen – und die Gattin während des Betrugs grausam töten. Nach der Tat stellt er sich und geht ins Gefängnis. Acht Jahre später wird seine Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt. Auf dem Land, in der Anonymität der Abgeschiedenheit, eröffnet er einen Friseursalon. Mit dabei ist ein Aal, den Yamashita in der Haft aufzog.

Die Drastik der Einführung, in der ein Schwall des Blutes der gewaltsam Sterbenden die Linse der Kamera und damit das Sichtfenster des Zuschauers benetzt, weicht schnell übergreifender Sanftheit. „Der Aal“ gibt sich so still wie seine Hauptfigur. Sie ist von gebrochener Psyche und hält die Welt auf Distanz. Das ändert sich, wenn auch nur zaghaft, als Yamashita die scheinbar leblose Keiko (Misa Shimizu, „Shall We Dance?“) im Schilf findet. Um nicht mit einem möglichen Verbrechen in Verbindung gebracht zu werden, alarmiert er die Polizei. Durch sein Eingreifen überlebt sie – einen versuchten Selbstmord. Als Keiko ihren Retter aufsucht, um sich zu bedanken, bleibt sie. Als Haushälterin und Friseurgehilfin. Sie entwickelt Gefühle für ihn, die er, aus Angst vor der eigenen Vergangenheit, übersieht.

Ungeachtet der Schwere, die auf die Gemüter der Protagonisten drückt, durchbrechen heitere Momente die Melancholie. Die absurden Zwischentöne gehören dem lokalen Müllmann Takasaki (Akira Emoto, „Zatoichi“), der, nicht minder von Unsicherheit geplagt, durch mangelnde Rationalität seiner Handlungsweisen zum schieren Magnet für Ärger wird. In der Hauptsache aber beschäftigt sich das unaufgeregte Drama mit Yamashitas innerer Zerrissenheit. Diese findet ihren Ausdruck, neben zögerlichen Gedankenkommentaren, im Symbolismus seines Umfelds. Allein der Aal genügt als Sinnbild der geistig emotionalen Blockade. Die Freilassung aus dem Gefängnis seiner selbst ist schwierig. Sie liegt in der eigenen Verantwortung.

Der Verlauf dieser zögerlichen Wiedereingliederung verläuft ohne falsche Sentimentalität. Der Blick bleibt nüchtern, oft gerichtet auf scheinbare Kleinigkeiten. Entsprechend unanalytisch erfolgt die Charakterisierung Yamashitas, der bis zum Ende ein Rätsel bleibt. Der 2006 verstorbene Regisseur Shohei Imamura („Wasserspiele“) schrieb auch das Drehbuch – nach einem Roman von Akira Yoshimura und in Zusammenarbeit mit seinem Sohn, „Audition“-Autor Daisuke Tengan. Für die großartige Gesamtleistung wurde „Der Aal“ bei den Filmfestspielen in Cannes 1997 mit der Goldenen Palme prämiert.

Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

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