Der von DEFEATER in Sachen Post-Hardcore etablierte Qualitätsstandard ist immens. Im Kern ungeschliffen und roh, bleiben ihre Stücke doch stets komplex und zugleich vielschichtig. Über zwei Alben und eine EP optimierten die Bostoner das Songwriting auf der Ebene klanglicher Nuancen kontinuierlich. Dass ihr dritter Langspieler „Letters Home“ ein Freudenfest werden würde, daran bestand im Vorfeld kaum ein Zweifel. Trotzdem verblüfft der vollzogene Feinschliff, der das rohe Moment bewahrt, die fein austarierte Melodik jedoch in einer Klarheit präsentiert, die in reges Staunen versetzt. Konstante Begeisterungsstürme inklusive.
Für deren unweigerlichen Beginn sorgt der famose Opener „Bastards“, der exemplarisch die Güte des Sounds offenbart und gleichsam verdeutlicht, wie dicht Eingängigkeit und Härte auf „Letters Home“ beieinander liegen. Inhaltlich wird die Geschichte einer Mittelklassefamilie im Amerika nach dem Zweiten Weltkrieg fortgesponnen. Dass dies Konzept nicht an Reiz verliert, liegt an der Qualität der transportierten Facetten, die aus scheinbar Beiläufigem packende Gefühlsbäder destillieren. Deren bedrückende emotionale Abstufungen zwischen aufkeimendem Hoffnungsschimmer und purer Verzweiflung werden durch Derek Archambaults wuchtiges Organ einmal mehr mitreißend herausgearbeitet.
Wandlungsfähigkeit bewies der Fünfer von der US-Ostküste immer. Die instrumentale Feinabstufung, die von fast bedächtigen Passagen bis hin zu rüden Ausbrüchen gesteigerter Aggressivität tendiert, kommt diesmal allerdings deutlicher denn je zur Geltung. Sei es der punkige Auftakt von „Hopeless Again“, das kolossale Drumming bei „Blood in My Eyes“ oder die zarte Gitarreneinleitung von „No Saviour“, DEFEATER wissen punktiert zu überraschen, ohne ihren eigentümlichen Stil zu verleugnen. Dafür braucht es diesmal nicht einmal einen ihrer typischen akustisch gefärbten Ausreißer. So ist „Letters Home“ kaum weniger als ein Meisterwerk, atmosphärisch dicht gesponnen und instrumental so anspruchsvoll wie mitreißend. Viel besser geht es kaum!
Wertung: (9 / 10)