Dear Wendy (DK/GB/D/F 2005)

dear-wendyDas anspruchsvolle Kino liegt den „DOGMA 95“-Begründern Lars von Trier („Dogville“) und Thomas Vinterberg („Das Fest“) zu Füßen. Nachdem das gefeierte Konzept künstlerischer Regression in seiner Übersättigung auslief, schlossen die Dänischen Filmemacher Frieden mit den technischen Möglichkeiten des modernen Kinos. „Dear Wendy“ ist Vinterbergs erste Regiearbeit seit dem arg gescholtenen Experimentalfilm „It’s All About Love“ (2002). Das Drehbuch fertigte Lars von Trier unter konsequenter Missachtung der zehn Regeln ihres dogmatischen Manifestes. Denn die Intention war ein Panoptikum des artifiziellen, ein künstlicher Mikrokosmos im Irgendwo und Nirgendwo der wahrhaftigen Realität.

Dieser findet seinen Schauplatz in einer fiktiven Bergarbeiterstadt der USA. Die Häuser sind offenkundige Kulissenbauten, die Bewohner zu unauffällig, um aus dem Grau des Alltags hervorzustechen. Der trübsinnige Drugstore-Angestellte Dick (Jamie Bell, „Billy Elliot“) ist überzeugter Pazifist. Bis er eines Tages eine Schusswaffe in dem Glauben ersteht, es handele sich um ein Spielzeug. Bald erliegt Dick dem Reiz der Pistole, tauft sie Wendy und gründet mit anderen Außenseitern den erhabenen Waffenclub ´The Dandies´. Dessen Grundsatz fußt auf dem Gebot, die Schießeisen einzig in ihrem geheimen Quartier und niemals gegen Menschen einzusetzen. Mit dem Eintritt des Kleinkriminellen Sebastian (Danso Gordon, „American History X“) gerät dieses Gebot außer Kraft – und stürzt die Clique in ihr Verderben.

Zwischen Gesellschaftssatire und Teenagerdrama kreiert „Dear Wendy“ das Szenario einer illusionslosen Jugend auf der Suche nach ideologischem Halt. Über die Steigerung des eigenen Selbstbewusstseins durch Waffengebrauch treibt der Film seine jugendlichen Protagonisten durch einen stilisierten Habitus altmodischer Ritualisierung. Die sozialen Randfiguren heben sich von ihrer Umwelt ab, werden zum Zentrum. Bedauerlicherweise geben Lars von Trier und Thomas Vinterberg ihre neutrale Beobachterposition bald auf und verstricken sich in Klischees. Die Figuren bleiben guter darstellerischer Leistungen zum Trotze blass, die Dialoge oft aufgesetzt und hölzern. Exemplarisch äußert sich dies am Beispiel Bill Pullmans („Igby!“), der in der Rolle des Sheriffs Krugsby beständig auf ausgefransten Sozialpauschalitäten herumreitet.

„Dear Wendy“ schmückt sich mit offensichtlicher Künstlichkeit und schafft ein abseitiges Spielfeld gesellschaftlicher Blaupausen. Doch gerade dieser Umstand wird dem kritischen Interpretationsansatz kaum gerecht, fehlt Vinterbergs Film doch ein erkennbarer Zugang zur Realität. Die Ursachen für den Fanatismus der Waffenbrüder erscheinen fadenscheinig, die bleihaltige Klimax gar dramaturgisch unbeholfen. Denn das in seiner Ankündigung krude konstruierte Feuergefecht gerät dem Dänischen Duo zur platt inszenierten Ballerei. Zwar weisen Lars von Trier und Thomas Vinterberg jegliche allegorischen Anprangerungen der US-Waffenlobby von sich. Doch darf gerade dann die Frage gestattet sein, welchen Zweck „Dear Wendy“ überhaupt erfüllen soll.

Wertung: 5 out of 10 stars (5 / 10)

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