De Sade Eugenie – Die Jungfrau und die Peitsche (E/D 1970)

de-sade-eugenieDas Verständnis des Oeuvres Jess Francos bedarf einer Reduzierung der Kunstform Film auf eine Ebene abstrakter Perversion. Der heute 76-jährige Spanier kurbelt mit Vorliebe exploitative Streifen zwischen Sex und Gewalt herunter. Sein Gesamtwerk umfasst mehr als 160 Filme, darunter „Eine Jungfrau in den Krallen von Zombies“ und „Die Nonnen von Clichy“. In der schöpferischen Hochphase des Fließbandfilmers entstand der visuell betörende Bilderbogen „De Sade Eugenie – Die Jungfrau und die Peitsche“.

1970 ob seiner Freizügig- und Tabulosigkeit – der Kuss der weißen Maria Rohm mit dem schwarzen Anney Kablan – zum Skandal deklariert, ist die anrüchige Färbung längst verblasst. Geblieben ist eine sinnliche de Sade-Adaption, die Franco phasenweise als Ästheten auszeichnet. Eine schlüssige Handlung braucht es nicht. Im Vordergrund stehen die Bilder. In schwelgerischen, teils lustvollen Kamerafahrten künden sie von Begierde und physischer Pein.

Schöne Körper, gekünstelte Dialoge und ein schillernder Soundtrack zwischen Fahrstuhlmusik und Discoentgleisung machen „De Sade Eugenie“ zum retrospektiven Edel-Trash. Im Mittelpunkt steht die unbefleckte, von ihrer Mutter mit Argusaugen überwachte Eugenie (Marie Liljedahl, „Willst du ewig Jungfrau bleiben?“). Einer Einladung der vornehmen Madame de Saint Ange (Maria Rohm, „Der Hexentöter von Blackmoor“) folgend, findet sie sich bald auf einem idyllischen Eiland wider.

Kaum angekommen, werden die Betörungsversuche der Gastgeberin handfest. Eugenie entflammt das Verlangen auch im Stiefbruder der Madame (Jack Taylor, „Das Geisterschiff der schwimmenden Leichen“). Als Jünger des Marquis de Sade verstehen es die Geschwister als ihre Pflicht, die unberührte Eugenie von den Vorzügen schmerzhafter Leidenschaft zu überzeugen. Das daraus resultierende Peitschenschwingen wird überwacht von Gruselchoryphäe Christopher Lee („Dracula“), der als Dolmance durch das Prozedere der Marter führt.

Francos freie Interpretation von de Sades „Philosophie im Boudoir“ fasziniert durch expressive Bilder und leuchtende Farben. Im Subtext prangt die Mordlust, welche sich auch Eugenie zu Eigen machen muss, um dem zunehmend bedrohlichen Liebesspiel der Madame entrinnen zu können. Man mag das als überholtes Sittengemälde oder angestaubten Titten-Trash interpretieren. Die Kunst des einen ist der entartete Stumpfsinn des anderen. Dass Jess Franco zum Spagat zwischen den Extremen befähigt erscheint, mag für manchen Zuschauer das verblüffenste Element dieser filmischen Wiederentdeckung sein.

Wertung: 6 out of 10 stars (6 / 10)

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