Frankreich ist sicherlich so etwas wie die Hochburg der europäischen Filmlandschaft, denn ob Anspruch, Humor oder Action, einen eigenständigen Stil kann man unseren Nachbarn nicht abstreitig machen. In den vergangenen Jahren avancierte vor allem der vielseitige Jean Reno zum neuen Aushängeschild des französischen Kinos, der aber nicht nur in seiner Heimat arbeitet, sondern auch in der Traumfabrik ein gern gesehener Gast ist. Nach den beiden „Die purpurnen Flüsse“-Filmen kann man Reno nun wieder in einem Thriller sehen, der zwar optisch zu überzeugen weiß, inhaltlich jedoch mehr möchte, als er eigentlich stemmen kann.
Die Ärzte von Anna (Arly Jover) stehen vor einem Rätsel, denn ihre Patientin leidet an Gedächtnislücken, die sie nicht erklären können. Ihre Vergangenheit liegt wie ein schwerer Schleier über ihr, was früher einmal mit ihr gewesen ist, kann sie nicht rekonstruieren. Selbst die Bilder ihres eigenen Mannes Laurent (Phillipe Bas) erkennt sie nicht. Die Ärzte als auch Laurent raten Anna zu schwierigeren Untersuchungen, um hinter ihre Krankheit zu kommen, doch Anna begibt sich lieber in die Hände der Psychologin Urano (Laura Maurante).
Der intensive Kontakt zwischen den beiden Frauen bestärkt Anna in dem Gefühl, nicht die zu sein, für die sie sich eigentlich hält. Sie flüchtet aus dem Haus ihres Mannes und hat kurze Zeit später eine Handvoll fremder Männer hinter sich. Zeitgleich muss der rechtschaffende junge Polizist Paul (Jocelyn Quivrin) einen Serienmörder stellen, der bereits einige illegal eingewanderte junge Türkinnen auf bestialische Weise umgebracht hat. Als Kenner der Szene gilt der ausgemusterte Schiffer (Jean Reno), der wegen seiner nicht zimperlichen Methoden vom Dienst suspendiert wurde und mit dem Paul immer mehr in einen Strudel aus Terror und Gewalt gerät.
Etwa eine Stunde tappt der Zuschauer ziemlich im Dunkeln, denn abwechselnd erzählt „Das Imperium der Wölfe“ zwei zu Beginn unterschiedliche Handlungsstränge, die erst in der zweiten Hälfte zusammengeführt werden. Bis dahin hält der Film ein ordentliches Spannungsniveau, was jedoch mit der zunehmenden Annäherung der Handlungen und Figuren ins abstruse abrutscht. Die am ganzen Spuk beteiligten Parteien und Personen verschwimmen zu einer nicht mehr zu überblickenden Masse, was sich letztlich in einem stupiden Showdown entlädt. Wie man es von französischen Filmen gewohnt ist, besticht „Das Imperium der Wölfe“ durch eine dichte Atmosphäre. Die Bilder sind weitgehend im Dunkeln gehalten, was durch den permanent herrschenden Dauerregen verstärkt wird. Ob nun Hinterhöfe, Gruften oder Kellergewölbe, Regisseur Chris Nahon („Kiss of the Dragon“) schöpft hier aus dem kompletten Fundus den das Genre zu bieten hat.
Unterstützt wird er dabei von guten Darstellern, wobei vor allem wieder einmal Jean Reno überzeugt. Seine Figur ist diesmal jedoch moralisch nicht ganz sauber, seine (unnötig) brutalen Methoden stehen im Gegensatz zum einwandfreien Vorgehen von Jocelyn Quivrin. Arly Jover („Blade“) weiß sich in der Rolle der flüchtigen Anna zu beweisen, deren spätere Wandlung nach Bekanntwerden ihrer Vergangenheit allerdings ein wenig zu schnell erscheint. „Das Imperium der Wölfe“ zeigt wieder einmal gut das Manko des französischen Thrillers der letzten Jahre auf, denn auch wenn auf darstellerischer wie atmosphärischer Ebene überzeugt wird, so bleibt die Handlung wieder einmal auf der Strecke oder driftet in gänzlich unlogische Dimensionen ab. So wird auch hier der Augenschmaus durch eine letztlich uninspirierte Vorgehensweise der Drehbuchautoren getrübt, für solide Thriller-Unterhaltung reicht es aber allemal.
Wertung: (6 / 10)