„Your father is one sick mother, you know that? Actually, your mother’s one sick mother, too.“ – Fool
Mit „Das Haus der Vergessenen“ brach Kult-Regisseur Wes Craven („A Nightmare on Elm Street“) mit gängigen Horror-Standarten. Das hatte er im Laufe seiner bis dahin bereits zwei Dekaden umspannenden Karriere öfters getan. Doch keiner seiner Filme – das Drama „Music From the Heart“ ausgeklammert – weicht so deutlich von temporären Genre-Kreativströmungen ab. Denn Cravens Skript folgt klassischen Märchenmotiven und übersetzt diese in ein modernes Milieu zwischen Ghetto und Spießer-Idyll. Nur lauert hinter Zweitgenanntem einmal mehr das Grauen.
Der kleine Poindexter (Brandon Adams, „Mighty Ducks“), genannt Fool, ist ein aufgeweckter afroamerikanischer Junge mit großen Träumen. Die Realität des Großstadt-Slums aber lässt diese im Zusammenspiel mit der krebskranken Mutter nicht eben realistisch erscheinen. Als die Familie aus ihrer Wohnung geschmissen werden soll, plant Ganove Leroy (Ving Rhames, „Pulp Fiction“) einen Einbruch bei Vermieter-Paar Robeson, das sich selbst nur als Mommy und Daddy (gaben bereits in „Twin Peaks“ die Eheleute: Wendy Robie und Everett McGill) bezeichnet. Ins Gebäude gelangen Leroy und Fool leicht. Doch erst verhagelt ihnen der bissige Wachhund der Robesons den Beutezug, dann offenbaren die Hausherren selbst ihre abgründige Seite.
Deren Domizil entpuppt sich als verzweigtes, mit allerlei fiesen Fallen gespicktes Labyrinth. Fool ist schnell auf sich allein gestellt, stößt im Keller auf verwahrloste kannibalische Gefangene und findet in Robeson-Tochter Alice (A.J. Langer, „Flucht aus L.A.“) eine ebenfalls eingesperrte Unterstützerin. Sie ist die Quasi-Prinzessin dieser morbiden Mär, die es für den unfreiwilligen Ghetto-Helden zu retten gilt. Nebenbei lockt ein immenser Schatz, den die inzestuösen Robesons (von wegen Mommy und Daddy!) mit allen Mitteln vor fremdem Zugriff bewahren. Der Ansatz ist hübsch degeneriert, findet in Kriminalfällen wie dem des Josef Fritzl aber bittere Entsprechung in der Realität.
„The People Under the Stairs“, wie der Film im Original betitelt ist, war ein respektabler Kinoerfolg und bildet trotzdem einen der weniger beachteten Filme Wes Cravens. Das traditionellen Grusel zitierende Set-Design und die in Zwischenwänden hausenden Lottergestalten sorgen für ein nicht immer ausgewogenes Verhältnis von gediegenen Schocks und Lachern mit sozialsatirischem Hauch. Die Unvorhersehbarkeit wird durch die Märchenanlehnung zwar nicht durchweg aufrecht erhalten, der stimmungsvoll gestaltete und recht kurzweilige Streifen bildet aber sehenswertes Kontrastprogramm mit dosierten Härten. Insgesamt nicht über-, aufgrund der erfrischend andersartigen Herangehensweise aber dennoch (aus der Horror-Masse) herausragend.
Wertung: (6,5 / 10)