Die Frau ohne Namen ist zurück. An ihrer Seite, nicht minder dreckverkrustet und sich ebenfalls allein durch reduzierte, tierhafte Laute artikulierend, ein Mädchen. Eine Kette am Handgelenk trägt den Schriftzug „Darlin‘“. Das muss als Name genügen. Und als Titel. Der Film, das Regiedebüt von Schauspielerin Pollyanna McIntosh („The Walking Dead“), setzt die auf Jack Ketchums kontroversen Romanen basierenden Vorläufer „Beutegier“ (2009) und „The Woman“ (2011) fort. Bereits in denen verkörperte McIntosh die wilde Kannibalin, die mal Opfer, meist aber Täterin blieb, mit ungezügelter Wildheit.
Dass der 2018 verstorbene Ketchum, der neben „The Woman“-Regisseur Lucky McKee auch als Produzent angeführt wird, diesmal nicht für die unmittelbare literarische Vorlage verantwortlich ist, bleibt dem dritten Kapitel der Geschichte durchaus anzumerken. Denn die verstörende Aura der ersten beiden Teile reduziert sich auf oberflächlich überzeichnete Kirchenkritik und konventionelle Gewaltentgleisungen. So wird die Habenseite der noch immer eigentümlichen Melange aus Horror und Psycho-Drama vorrangig durch die überzeugenden Darsteller/innen ausgestaltet, allen voran die in der Titeltrolle glänzende Lauryn Canny („Salt Water“).
Die Schwangerschaft des degenerierten Teenagers macht den Kontakt mit der Zivilisation erforderlich. Dabei wird Darlin‘ vor einem Krankenhaus angefahren und weckt nach ihrer Einlieferung Neugier und Fürsorge des homosexuellen Krankenpflegers Tony (McIntoshs „The Walking Dead“-Kollege Cooper Andrews). Mehr noch erregt sie die Aufmerksamkeit eines Bischofs (Bryan Batt, „Mad Men“), der Darlin‘ als relevanten Marketing-Faktor erachtet, um dem missionarischen Mädchen-Pflegeheim St. Philomenas die dringend benötigte Finanzspritze zu bescheren. Während sich der schmierige Geistliche mit Hilfe von Nonne Jennifer (Nora-Jane Noone, „The Descent“) bemüht, Darlin’s göttliche Zähmung gewinnbringend zu inszenieren, stellt ihr die mörderische Quasi-Mutter längst nach.
Dass Darlin‘ unter christlicher Obhut freundschaftliche Bande mit anderen Mädchen knüpft, sorgt für gelungene Coming-of-Age-Anklänge. Allerdings unterstreichen diese lediglich die relative Ziellosigkeit des ebenfalls von McIntosh verfassten Skripts. Das fährt zwar kontrastierende, betont absurde Szenenfolgen auf, vorrangig wenn die kompromisslos zum Messer greifende „Frau“ mit alltäglichen Ausprägungen der Zivilisation konfrontiert wird – und überdies zur Schutzpatronin eines Kollektivs obdachloser Prostituierter avanciert –, nur lässt „Darlin‘“ einen übergeordneten erzählerischen Zusammenhalt vermissen. Das blutige Finale, bei dem auch der ebenfalls zum erweiterten Cast von „The Walking Dead“ zählende Thomas Francis Murphy als Kardinal in Erscheinung tritt, macht eine erneute Rückkehr der Hauptfiguren möglich. Ohne die von Ketchums Romanen transportierte radikale Subversion kommt dem Stoff aber schlicht ein entscheidender Teil seines Reizes abhanden.
Wertung: (5 / 10)