„Sometimes I just feel like I’m fighting for a life I just ain’t got time to live. I want it to mean something.“ – Ron
Die Wandlung des Matthew McConaughey ist höchst bemerkenswert. Binnen weniger Jahre hat sich der 44-jährige vom Komödien- zum Charakterschauspieler gewandelt und das Terrain seichter Unterhaltung komplett hinter sich gelassen. Reibungslos vollzog sich die Transition jedoch nicht. Nach „Der Womanizer“ (2009) lehnte er Rollen in RomComs kategorisch ab. Andere Engagements jedoch blieben aus. Bis er 2011 den Hauptpart in „Der Mandant“ übernahm und seine Ambition über kleinere Produktionen untermauerte. Diese Hartnäckigkeit zahlte sich spätestens mit der Oscar-Auszeichnung als bester Hauptdarsteller aus, die sich McConaughey für seine überragende Performance im Independent-Drama „Dallas Buyers Club“ redlich verdiente.
Darin spielt er Ron Woodroof, einen White Trash-Malocher aus Texas, der 1985 die niederschmetternde Diagnose erhält, dass er sich mit AIDS infiziert hat. Doch wie ist das möglich? Schließlich stecken sich nur Schwuchteln mit HIV an! Aber nicht er, ein gestandener Rodeo-Reiter, der lediglich ungeschützten Sex mit Frauen hat. Nach der Verleugnung folgt die zwangsläufige Auseinandersetzung. Denn die Ärzte Sevard (Denis O’Hare, „American Horror Story“) und Saks (Jennifer Garner, „Juno“) bescheinigen ihm eine Restlebenszeit von 30 Tagen. Die Teilnahme an einer Testgruppe für ein neuentwickeltes Präparat genügt ihm nicht. Denn woher soll Ron wissen, ob man ihm nicht ein Placebo verabreicht.
So besticht er eine Reinigungskraft des Krankenhauses, ihm das Medikament zu besorgen und stürzt dieses achtlos mit Schnaps und Drogen herunter. Als er aufgrund seiner Erkrankung von Freunden und Kollegen geächtet wird, sucht er einen Arzt in Mexiko auf, der ihn mit hochkonzentrierten Vitaminpräparaten wieder auf die Beine bringt. Zwei Monate später kehrt Ron mit einem Kofferraum voller Behandlungsmittel in die USA zurück und beginnt diese mit dem Transsexuellen Rayon (beeindruckend und ebenfalls Oscar-prämiert: Jared Leto, „Fight Club“) an AIDS-Patienten zu verkaufen. Die Behandlungserfolge sind nicht von der Hand weisen. Nur sind die Vitamine in Amerika nicht zugelassen und mit der Kriminalisierung durch Polizei und Behörden beginnt für Ron ein Kampf um Würde und Selbstbestimmung.
Jean-Marc Vallées (C.R.A.Z.Y. – Verrücktes Leben“) auf Tatsachen beruhender Film ist ein Meisterwerk. In spröden Handkamerabildern und frei von emotionaler Ausschlachtungstendenz blickt er auf eine Zeit zurück, als AIDS eine wissenschaftlich wenig untersuchte und gesellschaftlich tabuisierte Randerscheinung war. Dass dabei zwar Kritik an der Geschäftspraxis der Pharmaindustrie aufkommt, eine generelle Verteufelung jedoch ausbleibt, muss den Machern ebenso hoch angerechnet werden, wie die dezente und doch stets berührende Wandlung Rons vom bloßen Geschäftemacher zum Streiter für die Rechte der Infizierten.
Getragen wird die Geschichte, deren einziger konventioneller Schulterschluss Jennifer Garners Rolle der engagierten Medizinerin bleibt, vom sensationell aufspielenden McConaughey. Der half bei der Finanzierung und hungerte sich mehr als 20 Kilo vom Leib. Doch bleibt sein Auftritt nicht allein aufgrund der ausgemergelten Physis unvergesslich, deren schwankender Zustand über Unschärfen und lautes Ohrensausen erfahrbar gemacht wird. „Dallas Buyers Club“ ist ein zutiefst menschlicher Film, dabei jedoch keiner, der die Schwere des Themas zugunsten einer breiten Publikumsansprache mildern würde. Dass Matthew McConaughey hier übrigens wieder mit „Sahara“-Partner Steve Zahn vor der Kamera agiert, erinnert nur beiläufig daran, dass der Filmwelt sein immenses Talent viel zu lange vorenthalten blieb.
Wertung: (9 / 10)