Cokie the Clown – You’re Welcome (2019, Fat Wreck)

Dass Fat Mike einschneidende Aspekte seines bewegten Lebens aufzuarbeiten hat, weiß der geneigte Fan des NOFX-Frontmannes und Fat-Wreck-Gründers nicht erst seit der famosen Band-Biographie „The Hepatitis Bathtub“ (2016). Denn mit verschiedenen seiner für NOFX geschriebenen Songs (siehe u. a. „My Orphan Year“) bot der leidenschaftliche Cross-Dresser und S/M-Verfechter bereits zuvor Einblicke in sein Seelenleben. Doch nichts davon hält dem Vergleich mit Mikes Alter Ego COKIE THE CLOWN stand.

Erstmals ins Rampenlicht strebte die Kunstfigur mit dem gleichnamigen Song, der als Teil der gleichnamigen EP 2009 die Diskographie von NOFX bereicherte. In der Folge trat Fat Mike vereinzelt als Cokie auf und spielte mal traurige, mal bissige Solo-Songs. Mit „You’re Welcome“ hat er binnen eines Jahres ein Album aufgenommen, das mit (nahezu) nichts vereinbar ist, was dem Fundus von NOFX angerechnet werden kann. Die zehn schonungslos offenen Stücke bleiben weitgehend reduziert, auf Mikes nicht zwingend melodische Stimme und begleitende Instrumente wie Piano oder Geige. Der Eindruck der ersten Single „Punk Rock Saved My Life“, die als Türöffner Passagen mit Bandbegleitung bietet, wird damit konsequent entkräftet.

Leicht macht es der von Gastmusikern wie Karina Denike (Ex-DANCEHALL CRASHERS), Drummer Travis Barker (BLINK-182) oder Tochter Darla unterstützte Singer/Songwriter damit nicht. Die Arrangements der Platte übernahm Bastien Brisson (kurz BAZ), der 2015 mit einer Orchester-Version des NOFX-Triumphs „The Decline“ für Aufsehen sorgte. Das Konzept ist gewagt – und gefällt fraglos nicht jedem. Vor allem aufgrund des deprimierenden Stimmungsbildes. „You’re Welcome“ ist eine Platte anhaltender Niederschläge, die thematisch um Verlust, Tod und Ausgrenzung kreist.

Manche der offenbarten Einblicke in Fat Mikes innerstes emotionales Zentrum werden Fans aus „The Hepatitis Bathtub“ kennen. Im Zusammenspiel mit der zurückgenommenen musikalischen Umsetzung werden daraus kunstfertige Stolpersteine, kreative Gedenktafeln für prägende Erfahrungen und Lebensabschnitte. Bei den intensivsten Beiträgen, darunter „Swing and Miss“ und „That Time I Killed My Mom“, bildet sich unweigerlich ein Kloß im Hals, der die Scheibe kaum für die Dauerrotation prädestiniert. Doch wohnt gerade dieser abschreckenden unbequemen Prämisse eine Besonderheit inne, die das Album zu einem extraordinären Gegenentwurf zum üblichen Schaffen des Kult-Punks macht.

Wertung: 7.5 out of 10 stars (7,5 / 10)

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