Das Leben als griechische Tragödie. Auch mal umspielt von orchestraler Klassik. Dafür steht Woody Allen. Schon wieder. Nach „Match Point“ und „Scoop“ ist „Cassandras Traum“ der Abschluss seiner London-Trilogie. Der erste Part war brillant, der zweite kaum mehr als eine amüsante Fingerübung. Nun kommen Abnutzungserscheinungen hinzu. Denn Allen, der große Meister der eloquenten Offenlegung charakterlicher Defizite, kann seinem Werk keine neuen Facetten abgewinnen. An den Darstellern liegt es nicht. Als Brüder Ian und Terry laufen Ewan McGregor („Miss Potter“) und Colin Farrell („The New World“) zu Hochform auf.
Dem Autorenfilmer fehlt diesmal die Nähe zum Milieu seiner Figuren. Ian und Terry, der eine Wannabe-Investor, der andere Zocker und Trinker, wollen höher hinaus, als es die Mittel ihres bürgerlichen Umfelds zuließen. Ian arbeitet im Restaurant des Vaters, Terry verdingt sich als Automechaniker. Beim Hunderennen gewinnt er einen stattlichen Batzen Geld, den er mit dem Bruder in die Erfüllung eines Traums investiert: ein eigenes Segelboot. Das trägt bald den Namen des ertragreichen Rennhundes – Cassandra’s Dream. Für die beiden soll es die Wende sein, zum Glück, zum Wohlstand. Von der Prophetin Cassandra aus der griechischen Mythologie wissen sie nichts. Deren Träume verhießen stets Unheil. So auch hier.
Als Ian mit der ambitionierten Schauspielerin Angela (Hayley Atwell, „Mansfield Park“) anbandelt, benötigt er Geld, um den luxuriösen Schein aufrecht zu erhalten. Ebenso Terry, der sich beim Kartenspiel verkalkuliert und plötzlich massiv in der Kreide steht. Die Lösung heißt Onkel Howard (Tom Wilkinson, „Michael Clayton“). Der hat Vermögen, es zu was gebracht, was die Mutter den Brüdern in nie enden wollenden Lobesarien vorhält. Doch der honore Oheim hat selbst Sorgen. Ein nahender Gerichtstermin und die Aussage eines Mannes könnten ihn ins Gefängnis bringen. Den Zeugen sollen Ian und Terry ermorden. Als Gegenleistung erhalten sie das benötigte Geld.
Der Abwärtssog der daraus resultierenden Spirale zieht sie mit bitterer Konsequenz ins Verderben. Das Verbrechen bleibt ungesühnt, wie bei „Match Point“, doch geht Allen mit „Cassandras Traum“ noch ein Stück weiter. Was hält das Schicksal für Menschen bereit, die zum eigenen Wohle, der Förderung des eigenen Lebensstandards einen Mord begehen? Die Antwort ist klar, souverän in die unaufdringliche Erzählung verpackt und von allen Beteiligten sehenswert gespielt. Aber es fehlt der letzte Schliff, die Würze. Das Krimi-Melodram ist beileibe kein schlechter Film. Doch das Thema hat sich seltsam abgenutzt. Allens nächste Station heißt Barcelona. Hoffentlich kann er seinem Oeuvre dort neue Perspektiven vermitteln.
Wertung: (6 / 10)