„Let the painter paint.“ – Agent King
Guy Ritchie kann auch anders. Gemeinhin gilt der Brite als Europas Antwort auf Quentin Tarantino. Sein Markenzeichen sind groteske Gangstergeschichten, die, anders als beim genannten Wegbereiter, mehr Raum für die humoristische Komponente belassen. Nach heiteren Blockbuster-Ausflügen wie „Sherlock Holmes“ (2009) oder „Solo für U.N.C.L.E.“ (2015) bedeutete „The Gentlemen“ (2019) die Rückkehr ins angestammte Metier. Die Abkehr erfolgte mit „Cash Truck“, dem grimmigen und vollends ironiefreien Remake des gleichnamigen französischen Thrillers von 2004.
Die Hauptrolle bekleidet Action-Star Jason Statham, der neben „Bube, Dame, König, GrAS“ (1998) auch bei „Snatch“ (2000), „Revolver“ (2005) und „Operation Fortune“ (2023) mit Ritchie zusammenarbeitete. Er verkörpert mit stoischer Entschlossenheit den zunächst unscheinbaren Patrick Hill, der sich bei der von Terry (Eddie Marsan, „Ray Donovan“) geführten Sicherheitsfirma als Geldbote bewirbt – und hinter dem Steuer und auf dem Schießstand so eben die Bewerbungsanforderungen erfüllt. Doch der kantige Brite hütet ein Geheimnis, das eng mit dem einleitend auszugsweise gezeigten Überfall auf einen Geldtransporter zusammenhängt, bei dem neben den beiden Boten auch eine unbeteiligte Person kaltblütig erschossen wird.
Neben Terry schwant bald auch den Kollegen Bullet (Holt McCallany, „Shot Caller“) und Boy Sweat Dave (Josh Hartnett, „Lucky # Slevin“), dass sich der H genannte Neue bewusst undurchsichtig gibt. Erst recht, als der im Alleingang einen Überfall vereitelt und dabei zielsicher Leichen auftürmt. Doch den Unternehmenseignern gefällt die positive Publicity. Dass H nebenbei Informationen über die Mitarbeitenden der Sicherheitsfirma sammelt und Spuren nachgeht, um eine undichte Stelle in der Belegschaft auszumachen, bleibt zunächst Teil des ihn umgebenden Mysteriums. Die verschiedenen (zeitlichen) Ebenen ergeben erst in Hälfte zwei ein zusammenhängendes Ganzes, was die Erzählung lange genug vor einer akuten Vorhersehbarkeit der Hintergründe abschirmt.
Stathams sparsame Mimik fügt sich perfekt in die brutalen Actionszenen ein. Gerade bei der Ausgestaltung der Hauptfigur weicht der als Produzent, Co-Autor und Regisseur gelistete Ritchie, für den der im Original „Wrath of Man“ betitelte Reißer ein Herzensprojekt zu sein schien, deutlich von der französischen Vorlage ab. Als Hs Motivation und mehr noch die in Blut getränkte Zwischenzeit erörtert ist, stellt Ritchie auch die für die Überfälle verantwortliche Bande vor. In deren Reihen finden sich mit Jeffrey Donovan („Burn Notice“) und Scott Eastwood („Suicide Squad“) weitere Darsteller von Format. Ergänzt wird das Ensemble von Alt-Star Andy Garcia („Der Pate III“), der H als Staatsagent King mit aller Konsequenz gewähren lässt.
Das düstere Stimmungsbild wird dadurch unterstrichen, dass der Handlungsort Los Angeles durchweg in tristes Grau getaucht wird. Dazu ertönt ein Score in gedeckten Klangfarben, bei dem sich Komponist Christopher Benstead, der als Tontechniker für „Gravity“ (2014) einen Oscar erhielt, am desillusionierten Gesichtsausdruck Stathams orientiert zu haben scheint. Mit dem groß angelegten finalen Überfall auf die Zentrale der Geldtransporteure findet „Cash Truck“ einen auch visuell ansprechenden Höhepunkt, der den packenden Action-Thriller auf der Zielgeraden zwar doch vorhersehbareren Mustern preisgibt, unter dem Strich aber vor allem durch die an Produktionen der 1970er erinnernde Grimmigkeit aus der Masse von Hollywoods Krawall-Einerlei heraussticht. Guy Ritchie kann eben auch anders.
Wertung: (7,5 / 10)