
Das Wichtigste vorangestellt: Es kann gar nicht genug Bands geben,
an denen Claus Lüer federführend beteiligt ist. Vor diesem Hintergrund
erscheint auch die Gründung von CASANOVAS SCHWULE SEITE unbedingt sinnstiftend,
jene zur Jahrtausendwende berufene Band, die zur einen Hälfte aus den mächtigen
KNOCHENFABRIK und zur anderen aus den unvergessenen THE WOHLSTANDSKINDER besteht.
Oder bestand. So richtig weiß das keiner.
Anno 2002 folgte mit „Das Rock’n’Roll Imperium schlägt zurück“
der erste und bislang einzige Langspieler der Rheinländer. Dabei erscheinen die
Unterschiede zum Lüer-Klassiker CHEFDENKER zunächst nicht allzu groß. Das liegt
neben der altbekannten, herrlich markanten Grölstimme des Frontmannes auch an
den Teils ausgiebig rockigen Passagen. Allerdings weisen CASANOVAS SCHWULE
SEITE hier und da deutlichere Nähe zum melodisch aufgeschlossen Punk-Rock
US-amerikanischer Prägung auf. Der Schaden des geneigten KNOCHENFABRIK- und
CHEFDENKER-Fans soll es beileibe nicht sein.
Inhaltlich bleiben Lüer und Konsorten bei ironischen
Alltagsbetrachtungen und absurden Geschichten aus dem Leben. So wie beim
Auftakt „Halt die Fresse“, der gegen Radiomoderatoren-Schwachmatengeschwafel
stänkert und den passenden Beleg gleich im Intro-Ausschnitt aus der 1Live-Hölle
serviert. Mit „Höllenfeuerlicht“ setzt es darauf den vielleicht bekanntesten
Song des Vierers. Motorengebrüll, Gewalt und Freiheit erscheinen wie ein feuchter
Biker-Traum. Der beste Track der Platte ist die Referenznummer allerdings bei
weitem nicht.
Denn da sind ja noch dem Bildungsauftrag des Punk-Rock gerecht werdende Beiträge: In „Expo 2000“ wird der kaum bekannte Zusammenhang zwischen der Pipi-Eskapade des Prügel-Prinzen Ernst August und dem Ende der Chaostage aufgezeigt, während „1980“ den Mauerfall chronologisch eher eigenwillig nachzeichnet. Bemerkenswert scheint einmal mehr die Güte des Gesamtwerks gemessen am Umfang: 18 Stücke ohne Ausfall wären bereits eine stolze Leistung. Doch angesichts der Hit-Ausbeute mutet die Bemühung des strapazierten Klassikerbegriffs keineswegs abwegig an.
„Das Rock’n’Roll Imperium schlägt zurück“ hält u. a. mit „Ich liebe dich für immer“, „Der Kinn-Nasen-Professor“, „Gestern Nacht“, „Ich will dich ficken“, „Du & ich“, „Was du sagst ist was du wählst“ oder den Schlusspunkt „In Grafenwöhr“ unverzüglich zum bierseligen Mitschmettern einladende Knaller bereit. Unbedingt ins Herz zu schließen ist auch der geistige Höhepunkt „Mein Kühlschrank“, dem wohl einzigen Song der Musikgeschichte, bei dem FCKW einen Gangshout spendiert bekommt. Wer hier fragt, ob das noch Punk ist, gehört zweifelsfrei in den See.
Wertung: (8,5 / 10)