Stephen Kings „Carrie“ ist ein Klassiker. Das gilt für den Roman des Kultautors und ebenso die erste Verfilmung. Die besorgte anno 1976 Brian De Palma. Er machte aus Kings Vorlage, die klassische Erzählschemata zugunsten einer Rekonstruktion durch Polizeiberichte, Zeitungsartikel und Zeugenaussagen ausspart, ein unbequemes Horror-Drama über die Rache einer übersinnlich begabten Außenseiterin. Bis 2006 folgten eine Fortsetzung, ein TV-Film sowie eine Musical- und eine Theaterversion. Dem Regelwerk Hollywoods entsprechend also höchste Zeit für eine modernisierte Kinofassung.
Die serviert „Boys Don’t Cry“-Regisseurin Kimberly Peirce weniger als eigenständige Adaption des Romans, sondern vorrangig als Remake der De Palma-Interpretation. Nur erweist sich die effektreiche Aufpolierung als weniger beklemmend und obendrein inszenatorisch hochglänzend. In der Rolle der telekinetisch bewanderten Carrie White überzeugt „Kick-Ass“-Heroine Chloë Grace Moretz, wenn ihr auch ein wenig der verschüchterte Backfisch-Charakter von Sissy Spacek abgeht. Aber genug der Vergleiche. Denn trotz einer gewissen Oberflächlichkeit fängt der Film die abgründige Atmosphäre Kings überzeugend ein und fährt mit Julianne Moore („A Single Man“) als Carries Mutter Margaret obendrein einen intensiven Multiplikator der Ausgrenzung auf.
Die ist eine zur Selbstverletzung neigende christliche Fanatikerin, die ihre introvertierte Tochter mit emotionalem Druck und religiösem Wahn vor der aufgeklärten Realität abschottet. Entsprechend hysterisch reagiert Carrie, als sie nach dem Sportunterricht in der Schule ihre erste Periode bekommt und prompt glaubt, sie würde verbluten. Für ihre Mitschülerinnen, allen voran die gemeine Chris (Portia Doubleday), ein gefundenes Fressen und da sich in Sachen Kommunikationstechnologie seit De Palmas Film viel getan hat, findet sich bald ein passendes Handyvideo im Internet. Lehrerin Desjardin (Judy Greer, „Jeff, der noch zu Hause lebt“) interveniert und schließt Chris gar vom Schulball aus.
Deren perfide Rache lässt nicht lange auf sich warten. Gelegenheit bietet sich, als die von Gewissensbissen geplagte Sue (Gabriella Wilde, „Die drei Musketiere“) ihren Freund Tommy (Ansel Elgort) dazu bewegt, Carrie zum Ball einzuladen. Der Rest, ein Infernal aus Schweineblut und den entfesselten Kräften der gedemütigten Außenseiterin, ist bekannt. Nur wirkt die Inszenierung bisweilen, als steuere sie einzig auf die gut getrickste Abrechnung hin, bei der die Schule und mit ihr viele Jugendliche im Feuer zugrunde gehen. Der Ausgewogenheit zuwider läuft auch die Übertreibung, mit der Carries Superkräfte Asphalt sprengen und in Jedi-Manier Autos in die Luft heben. Aber sei es drum, Peirces erwartbar glatte Neuverfilmung bietet solide Schauwerte und ansehnliche Jungstars. Zumindest einer jugendlichen Zielgruppe sollte das als Anreiz genügen.
Wertung: (6 / 10)