Hollywoods neue Mode sind Filmbiografien. Die Erfolgsaussicht ist vage, Auszeichnungen praktisch garantiert. Als bei den diesjährigen Academy Awards „Walk the Line“ gegen „Capote“ antrat, erklomm der Trend seinen vorläufigen Höhepunkt. Zuvor hatten beide Hauptdarsteller, Joaquin Phoenix und Philip Seymour Hoffman, den Golden Globe erhalten. Das Rennen um den Oscar machte Hoffman. Zu recht. Als homosexueller Exzentriker Truman Capote zieht er einmal mehr alle Register seines schauspielerischen Könnens. Mit hoch gelagerter Stimme und sparsamer Mimik macht er die charakterliche Zerrissenheit zwischen fast kindlichem Charme und manipulativem Egozentrismus sichtbar.
Den Reiz der sogenannten Biopics generieren streitbare Persönlichkeiten. „Capote“ ist da keine Ausnahme, obgleich sich Bennett Millers Film nur bedingt in die Riege Leben und Leiden vorgelebter Prominenz portraitierender Werke eingliedert. Den Unterschied macht die Dramaturgie. Sie folgt nicht dem üblich episodischen auf und ab einer bewegten Existenz, sondern wählt bewusst nur einen Ausschnitt. Vier Jahre, die Zeitspanne die „Breakfast at Tiffanys“-Autor Capote zur Ausarbeitung seines nonfiktionalen Romans „In Cold Blood“ benötigte.
Capote ist ein Geck, ein eitler Pfau in der künstlerischen High Society. Das Drehbuch von Schauspieler Dan Futterman („Shooting Fish“) betrachtet ihn aus verschiedenen Blickwinkeln. Der Entlarvung seiner Abgründe dienen großartige Nebendarsteller. Catherine Keener („Being John Malkovich“) ist der nüchterne Gegenpol. Als Autorin Harper Lee – Verfasserin von „To Kill a Mockingbird“ – offenbart sie den Narzissmus Capotes und überzeugt wie selten zuvor. Gleiches gilt für Chris Cooper („American Beauty“), der als Ermittler Alvin Dewey eine weitere tiefgründige Glanzleistung abliefert.
Den Ausschlag gibt der Mord an einer Kleinstadtfamilie im Jahre 1959. Capote ist fasziniert und inspiriert. Mit Harper Lee reist er nach Kansas, in der Absicht ein Buch über die Vorfälle zu schreiben. Ihm gelingt es das Vertrauen der Einwohner zu gewinnen und erhält, als die beiden Täter gefasst sind, Zugang zu ihnen. Bis in die Todeszelle. Zu einem der Mörder, Perry Edward Smith (Clifton Collins Jr., „Dirty“), knüpft er eine besondere Bindung. Doch spiegelt sich in Capotes Unterstützung nur der Verrat am Freund wider, der Betrug zugunsten des eigenen Erfolgs. Bennett Miller („Auf Tour“) gelingt ein distanziertes Künstlerportrait, das den Menschen Truman Capote ebenso für Sympathie wie Verachtung schärft. Die farblose wirkende Fotografie fängt die gedrückte Stimmung trefflich ein. Ihre Sublimierung ist das Schlussbild. Ein gebrochener Mann. Leise Genugtuung des Zuschauers.
Wertung: (8 / 10)