Bullet in the Head (HK 1990)

bullet-in-the-headDer vielleicht bemerkenswerteste Film im Schaffen des John Woo ist „Bullet in the Head“. Klassische Motive seines Oeuvres, Loyalität, Ehre und Aufopferung, bleiben unangetastet, verpflanzt werden sie jedoch in ein düsteres, nicht selten nihilistisches Blutbad vor der historischen Kulisse des Vietnamkrieges. Kritikern und Publikum in Hongkong schien das zu viel der expliziten Gräuel, westliche Stimmen lobten hingegen die ungeschönt kritische Note des ultrabrutalen Melodrams. Welche Meinung auch immer man teilen will, direkter und kompromissloser zeigte sich Woo nie.

Dabei beginnt alles so harmonisch, wenn der Geist der 68er auch Hongkong übermannt und mit der Metropole auch die drei Jugendfreunde Ben (Tony Leung, „Hard Boiled“), Paul (Waise Lee, „A Better Tomorrow“) und Frank (Jacky Cheung, „Total Risk“) übermannt. Ihre Treue jedoch bedeutet Unheil, als der kurz vor der Vermählung stehende Ben in einen folgenschweren Streit verstrickt wird, bei dem er den Anführer einer Straßengang tötet. Als letzter Ausweg bleibt die Flucht nach Vietnam, wo sie sich als Glücksritter versuchen und die Hölle auf Erden erleben.

Woo handelt die Ereignisse in verschiedenen, meist klar voneinander getrennten Stationen ab. Hongkong folgt Saigon, wo sie Zeugen der Schrecken des Krieges werden – und der seinerzeit vom US-Fotografen Eddie Adams dokumentierten Hinrichtung eines Verdächtigen auf offener Straße erinnert wird. Im Bestreben, möglichst rasch ein Vermögen zu verdienen geraten sie in kriminelle Machenschaften und an den gutherzigen Auftragsmörder Luke (Simon Yam, „Full Contact“). Bald müssen sie wieder fliehen, diesmal vor den anrückenden vietnamesischen Truppen.

Viel Zeit investiert Woo in die Entwicklung der Figuren. Während Ben versucht, sich seine Menschlichkeit zu bewahren, verfällt Paul vollends der Gier nach Macht und Geld. Für den eigenen Vorteil geht er schließlich über Leichen, was, um auch dem Titel gerecht zu werden, selbst Frank am eigenen Leib zu spüren bekommt. Die ursprüngliche deutsche Fassung war massiven Kürzungen unterworfen. Davon betroffen war auch die grimmige Pointe, jenes stilisierte Duell zwischen Ben und Paul, das der Einfachheit halber gleich komplett der Schere zum Opfer fiel.

Neben den politischen Bezügen rezitiert der Regisseur auch Hollywoods Anti-Kriegsfilme. Am auffälligsten wird dies im Foltercamp des Vietcongs, wo Woo deutliche Parallelen zu Cimonos „Die durch die Hölle gehen“ zieht. In Sachen Action bleibt sich der Regisseur treu, in Zeitlupen werden Menschen perforiert und großzügig Blut verspritzt. Geändert hat sich nur der narrative Ton, der in aller Schwärze über die Protagonisten hereinbricht. Und mag „Bullet in the Head“ auch nicht der beste Film Woos sein, der eindrucksvollste, in seiner Aussage kräftigste ist er allemal. Ein unbequemes, ein radikales Meisterwerk.

Wertung: 8.5 out of 10 stars (8,5 / 10)

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