Bug (USA 2006)

bug-2006William Friedkin geht dahin, wo es weh tut. Mit Kinoklassikern wie „French Connection“ (1971), „Der Exorzist“ (1973) oder „Leben und Sterben in L.A.“ (1985) schrieb der Regisseur Geschichte, strandete dann aber im Niemandsland des Banalen. Geblieben ist die schnörkellose Art der Inszenierung und die zum Teil noch immer radikale Bildsprache. Von ihr profitiert „Bug“, Friedkins erster Film seit dem ruppigen Actionstreifen „Die Stunde des Jägers“ (2003). Basierend auf seinem eigenen Theaterstück arbeitete Gelegenheitsschauspieler Tracy Letts („Prison Break“) das Skript für die Leinwand um. Das Resultat dürfte nur den wenigsten zusagen. Dennoch wurde es ein großartiges Werk.

Die Nähe zur Bühne bleibt durch die kammerspielartige Erzählung gewahrt. Der Hauptteil des Films spielt in einem schäbigen Motelzimmer in Oklahoma. Dort lebt Agnes (großartig: Ashley Judd, „Frida“) in den Tag hinein und ertränkt die Enttäuschung in Alkohol. Ihre einzige Freundin ist R.C. (Lynn Collins, „The Number 23“), eine Kellnerkollegin, mit der sie im Drogennebel versumpft oder ins Bett steigt. Sorgen bereitet ihr gewalttätiger Ex-Mann Jerry (Harry Connick Jr., „Basic“), gerade aus der Haft entlassen, den sie für die wortlosen Anrufe verantwortlich macht, die sie täglich aus ihrer Lethargie reißen.

Eines Abends macht Agnes die Bekanntschaft von Peter (brillant: Michael Shannon, „The Woodsman“), einem schüchtern wirkenden Golfkriegsveteran. Die beiden kommen sich näher und entdecken die Geborgenheit wieder. Für sie bedeutet er ein Stück Normalität im alltäglichen Elend. So normal ist Peter allerdings nicht. Er wird von unsichtbaren Käfern geplagt, ihm zufolge einem Regierungsexperiment entsprungen, für das er ohne sein Wissen benutzt wurde. Um ihn nicht zu verlieren, lässt sich Agnes auf die Wahnvorstellungen ein und bricht sogar mit R.C. Doch Peters ansteckende Paranoia droht sie beide zu zerstören.

Friedkins schonungsloses Psycho-Drama ist wahrlich keine leichte Kost. Die Figuren sind Wracks, emotional ausgelaugt, sozial ausgebrannt. Zwischen Selbstmitleid und -aufgabe fristen sie ihr Dasein ohne Hoffnung auf Besserung. Dazu kommt die Hitze, die sich durch die Klimaanlage des Raumes kaum erträglicher machen lässt. Wie die Schwüle brüten auch die Psychosen. Es beginnt mit (eingebildeten?) Insektenbissen und steigert sich mit wuchernden Verschwörungstheorien zu im Körper sprießenden Eiersäcken. So folgt dem Kribbeln eines schmerzenden Zahnes bald die Eigenbehandlung mit dem Heimwerkzeug.

Der zehrende Film auf beschränktem Raum blickt tief in die Abgründe des menschlichen Geistes. Dabei werden bis zum bitteren Finale, in dem Agnes Zimmer längst unter Alu- und Plastikfolie verschwunden ist, mehr Fragen aufgeworfen als letzten Endes beantwortet. Ist Peter ein gestörter Irrer oder tatsächlich das Opfer perfider Versuchsreihen? Dem Publikum bleibt nur die Mutmaßung. Sie wird helfen, das gesehene zu verarbeiten. Neben den famosen Hauptakteuren hat auch die schroffe Regie Friedkins maßgeblichen Anteil am Gelingen des erfahrbaren Wahnsinns. Unterhaltsam ist der keineswegs. Aber Kino muss schließlich auch fordern können.

Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

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