Brawl in Cell Block 99 (USA 2017)

Bevor sich Vince Vaughn auf standardisierte Komödien-Kost abonnieren ließ, empfahl er sich als kompetenter Charakterdarsteller. Angesichts von Kassenschlagern wie „Old School“ (2003) oder „Die Hochzeits-Crasher“ (2005) treten Werke wie „Swingers“ (1996) oder „Clay Pigeons“ (1998) jedoch nahezu gänzlich in den Hintergrund. Dass Vaughn dem ernsten Fach allerdings nicht abgeschworen hat, zeigen etwa die zweite Staffel des Serien-Hits „True Detective“ (2015) oder das Kriegs-Drama „Hacksaw Ridge“ (2016).

Mit „Brawl in Cell Block 99“ kehrte der Hollywood-Star 2017 zu seiner Verwurzelung im Independent-Segment zurück. Fans seiner humororientierten Werke muss das brachiale Grindhouse-Drama wie ein Kulturschock erscheinen. Denn Vaughn spielt den emotional betont unterkühlten Bradley Thomas, der bereits durch den kahl rasierten Schädel und seine bullige Physis ins Auge sticht, wie eine Urgewalt. Zu Beginn, wenn es gilt gleich mehrere persönliche Nackenschläge wegzustecken, erscheint er wie eine tickende Zeitbombe. Doch der Schein trügt.

Was dieser Mann mit Fäusten und eisernem Willen anzustellen vermag, belegt er nach dem Verlust seines Jobs, wenn er das Auto seiner untreuen Frau Lauren (Jennifer Carpenter, „Dexter“) mit bloßen Händen demoliert. Doch bereits die folgende Aussprache verdeutlicht, wie Bradley wirklich tickt: ruhig, sachlich, nüchtern. Teil des Neuanfangs mit der bald schwangeren Gattin ist die Kooperation mit Drogendealer Gil (Marc Blucas, „Deadline“), für den er zwecks Verbesserung der familiären Lebensumstände Kurierdienste übernimmt.

Das geht so lange gut, bis Gil sein Geschäftsfeld mit Hilfe von Latino-Gangster Eleazar (Dion Mucciacito, „Black Site Delta“) zu expandieren versucht. Denn in Milieus wie diesen kann das (relative) Glück nicht von Dauer sein. Zwangsläufig. So landet Bradley nach einer fatal gescheiterten Rauschgiftlieferung für sieben Jahre im Gefängnis. Die Aussicht, die Geburt seiner Tochter und mehr noch ihr Heranwachsen zu erleben, ist damit krachend gescheitert. Doch durch den rachsüchtigen Eleazar kommt es noch schlimmer. Viel schlimmer.

Underground-Autorenfilmer S. Craig Zahler, der durch den Kannibalen-Western „Bone Tomahawk“ (2015) Aufsehen erregte, bleibt seiner Linie auch mit „Brawl in Cell Block 99“ treu. Gemeinsam ist beiden Filmen der ruhige erzählerische Unterbau. Dabei bereichert Zahler das Independent-Segment neuerlich, indem er Drama unverblümt mit roh dreckigem Genre-Versatz vermengt. Der schlägt bei Bradleys Odyssee im Strafvollzugssystem durch, wenn er von einem schmierigen Spießgesellen Eleazars (Udo Kier, „Melancholia“) genötigt wird, sich in einen Hochsicherheitsknast verlegen zu lassen, um dort, im menschenunwürdigen Zellenblock 99, einen Häftling zu töten.

Als Druckmittel dient die verschleppte Lauren, der bei Nichterfüllung samt ungeborenem Kind ein grausiges Schicksal droht. Und so beginnt Bradley, der sich stets mit stoischer Gelassenheit in sein Schicksal fügt, für die Sicherheit seiner Familie Knochen zu brechen und in eine Hölle aus Erniedrigung und Schmerz hinabzusteigen. Die Behandlung durch das Wachpersonal wird zunehmend rabiater, bis er im autokratischen Revier von Gefängnisdirektor Tuggs (abgründig ekelhaft: Don Johnson, „Django Unchained“) landet.

Das Bahnhofskino-Flair verleiht dem Film eine nihilistische Aura, die durch die erstklassigen Darbietungen der Darsteller packend unterfüttert wird. Zahlers nahezu vollständig auf Bradley fokussierte Inszenierung entfaltet dabei eine unbequeme Intensität, die heuer vergessen macht, dass der Plot in seiner von heftigen Gewaltentgleisungen begleiteten Eskalation nur schwerlich Sinn ergibt. Die dosierten Actionszenen, gerade im schimmeligen Kellerverlies, strahlen eine pulsierende Verrohung aus, bei der Körper bis zur letzten Konsequenz zu Klump geschlagen werden.

Eilig hat es Zahler dabei nicht. Die zwischen Martyrium, Exempel und Rachefeldzug mäandernde Brachial-Unterhaltung erstreckt sich über mehr als zwei Stunden und legt mit zunehmender Ausweglosigkeit seiner Hauptfigur beständig an Wucht zu. Jedermanns Sache ist der zwiespältige, zwischen Kunst und Sleaze verortete Reißer keineswegs. Dass der großartige Vaughn, Carpenter, Johnson und Kier auch in Zahlers Folgefilm „Dragged Across Concrete“ (2018) mitwirkten, kann gerade deshalb jedoch kaum als Zufall bezeichnet werden.

Wertung: 7.5 out of 10 stars (7,5 / 10)

scroll to top