Die #MeToo-Bewegung ist eine überfällige Zäsur. Sie richtet sich gegen die sexualisierte Ausbeutung und damit verbunden die Objektifizierung von Frauen durch Männer in Machtpositionen. Männer, die glauben über moralischen Werten zu stehen. Der weltweit bekannteste Fall ist der Sturz von Hollywood-Mogul Harvey Weinstein. Seine Verurteilung zu 23 Jahren Haft im März 2020 gilt als Beweis dafür, dass sich die Zeiten wahrhaftig ändern. Allerdings war die Causa Weinstein – auch in ihrer erschreckenden Dimensionierung – keineswegs der Startschuss. Denn bereits im Juli 2016, rund 15 Monate vor dem Beginn von #MeToo, feierten Frauenrechtler/innen einen wahren Meilenstein: den Rücktritt von Fox-News-CEO Roger Ailes.
Das Warum, das Wie und vor allem das Wer beleuchtet Komödienspezialist Jay Roach („Austin Powers“) im erlesen besetzten Drama „Bombshell“. Das Drehbuch stammt von Charles Randolph, der für „The Big Short“ (2015) einen Oscar erhielt. Die Tonalität und die Art der Aufarbeitung beider Filme ähneln sich merklich. Allerdings passt die sehr US-amerikanisch wirkende, bei allem Tiefgang doch immer wieder dezent plakative Erzählweise perfekt zum Umfeld von Fox News. Mit Fakten und journalistischer Ethik wird beim konservativen Nachrichtensender, ähnlich der BILD-Zeitung in Deutschland, ein vornehmlich laxer Umgang gepflegt. Was zählt ist die Skandalisierung, die emotionale Aufwiegelung des Publikums. Und die unverhüllten Beine der Moderatorinnen.
Mit dieser Prämisse hat Ailes, gespielt von John Lithgow („The Crown“), ein Erfolgsmodell geschaffen, das ihm in der Chefetage von Medien-Tycoon Rupert Murdoch (in kleiner Rolle verkörpert von Malcom McDowell, „The Artist“) viele Freiheiten gewährt. Wie weit Ailes diese auslegt, wird durch drei Frauen belegt: die populären Moderatorinnen Gretchen Carlson (Nicole Kidman, „Destroyer“) und Megyn Kelly (Charlize Theron, „Atomic Blonde“) sowie die ambitionierte Novizin Kayla Pospisil (Margot Robbie, „Once Upon a Time in Hollywood“). Im Gegensatz zu den beiden Erstgenannten ist die dritte im Bunde ein fiktiver Charakter. In Pospisil fließen diverse von Ailes sexuell belästigte Frauen ein, die u. a. aufgrund von Stillschweigeerklärungen nicht namentlich genannt werden dürfen. Durch den nachvollziehbaren Kunstgriff können ihre Erlebnisse dennoch Teil der filmischen Aufarbeitung werden.
Den Stein ins Rollen bringt Carlson, die nach ihrem Rauswurf mit anwaltlichem Beistand klagt. Nicht gegen Fox, sondern gegen Ailes persönlich. Der Aufruhr ist enorm. Der Gegenwind ebenso. Eine interne Untersuchung soll Klarheit bringen. Während sich das Gros der Belegschaft hinter den mächtigen Boss stellt, hüllt sich Kelly, immerhin die einzige Moderatorin mit eigener Sendung zur Primetime, in Schweigen. Die Nachwehen eines Karriere und Familienleben (als ihr Ehemann: Mark Duplass, „Zero Dark Thirty“) belastenden Disputs mit dem von Fox News hofierten Präsidentschaftskandidaten Donald Trump sorgen dafür, dass sie nicht schon wieder öffentliche Angriffsfläche bieten will. Und doch weiß sie es besser. Denn auch sie wurde Opfer von Ailes, der sich berufliche Beförderung bevorzugt durch sexuelle Gegenleistung honorieren lässt.
Selbst wenn der Ausgang der Geschichte bekannt ist, inszeniert sie Roach doch mit einer gehörigen Portion Spannung. Nebenbei gewährt er erhellende Blicke auf die Mechanismen des Boulevard-Journalismus und greift, neben der zwischen den drei Hauptfiguren wechselnden Perspektive, auf Stilmittel wie die direkte Ansprache des Publikums zurück. Die beachtliche Wirkung von „Bombshell“ resultiert allerdings auch aus der bis in kleine Rollen starken Besetzung, die etwa Allison Janney („I, Tonya“), Kate McKinnon („Ghostbusters“), Connie Britton („Nashville“), Liv Hewson („Santa Clarita Diet“) und Robin Weigert („Deadwood“) vereint. Auch daran lässt sich ermessen, dass die größten Akzente hier von weiblicher Seite gesetzt werden. Die verdiente Würdigung schlug sich u. a. bei den Oscars nieder, wo Theron und Robbie mit Nominierungen bedacht wurden. Ausgezeichnet wurde letztlich aber allein das insbesondere bei Kidman bemerkenswerte Make-Up. Bei diesem Film stimmt eben nicht allein die Tiefe, sondern ebenso die Oberfläche.
Wertung: (8 / 10)