Being John Malkovich (USA 1999)

being-john-malkovichSag mir was du hast und ich sag dir wer du bist. Materialismus ist in der postmodernen Gesellschaft die verheißene Flucht aus dem alltäglichen Wahnsinn. Das Stichwort der Identität wird so zum wesentlichen Gut, weil es keiner eindeutigen rationalen Erklärbarkeit unterworfen ist. Identität ist Individualität – oder das, was Menschen daraus machen. Der Oscar-prämierte Drehbuchautor Charlie Kaufmann („Eternal Sunshine of the Spotless Mind“) hat dem Gegenstand um die Unterschiedlichkeit des Wesens ein Skript gewidmet, das der renommierte Videoclip-Regisseur Spike Jonze kongenial auf die Leinwand brachte. Dass er dafür Schauspielgrößen wie John Cusack („Grosse Point Blank“), Cameron Diaz („Any Given Sunday“) und Catherine Keener („Adaptation“) gewinnen konnte, umspielt die Ironie der meisterlichen Groteske, die, ganz unscheinbar auch Starrummel und Selbstinszenierung der massenpopulären Lichtgestalten karikiert, jedoch erst durch die Mitwirkung von John Malkovich („Ripley’s Game“) zu dem werden konnte, was sie letztendlich ist: ein Geniestreich.

Die anspruchsvolle Kunst des Puppenspiels beherrscht Craig Schwartz (Cusack), ohne nachhaltigen finanziellen Nutzen daraus ziehen zu können. Mit seiner Frau Lotte (Diaz) und ihrem häuslichen Zoo bewohnt er ein kleines Domizil, das kaum Platz zur Entfaltung, dafür umso mehr zum sehnsüchtigen Blick auf träumerische Szenarien bietet. Auf ihr Drängen bewirbt sich Craig um einen Job als Archivar, im 7 ½ Stockwerk eines New Yorker Bürokomplexes. In dieser Zwischenwelt, in der alle Angestellten in gebückter Haltung ihrer Arbeit nachgehen, hat der obskure Dr. Lester (Orson Bean, „Jacob’s Ladder“) das Sagen, ein 105 Jahre zählender Kauz mit sexueller Begierde nach seiner schwerhörigen Sekretärin. Er wird eingestellt und erhält von seiner aufreizenden wie kalten Kollegin Maxine (Keener), die seine Fantasie rege antreibt, sogleich einen Korb.

So viel zur Figurenkonstellation dieses ironisch philosophischen Malstroms, in dessen Wirren zunehmend surrealer Gedankenraum flankiert wird. Denn hinter einem Aktenschrank entdeckt Craig ein Portal, das unmittelbar ins Gehirn des Hollywoodstars John Malkovich (Malkovich) führt. Eine Viertelstunde betrachtet er die Welt durch dessen Augen und folgt als stiller Beobachter seinen Handlungen, ehe er dem fremden Geist entrissen wird und an der Autobahn Richtung New Jersey landet. Angestachelt von Maxine schlachtet Craig die spirituelle Erfahrung gegen Geld aus, was bald eine Fülle von Problemen nach sich zieht. Denn nicht nur, dass Lotte und Maxine ihre Liebe füreinander entdecken, der erboste Malkovich selbst will ebenfalls den Trip in seinen Kopf wagen. Die Folge ist eine der schrillsten Visionen der Kinohistorie.

Als Sternstunde des Independentfilms feiert „Being John Malkovich“ die Kreativkraft der Suggestion. Alles ist möglich, man muss es sich bloß vorstellen können. Daneben übt er Kritik, über das Mittel der Übertreibung, kombiniert mit der Würze der (beizeiten zynisch gefärbten) Ironie. Sie trifft den Jahrmarkt der Eitelkeiten, den Verrat der Identität zugunsten eines Lebens im Scheinwerferlicht. Denn Craig, ganz der Puppenspieler, lernt Malkovich zu kontrollieren, sich dauerhaft in seinem Kopf festzusetzen und ihn zu steuern. Nur verliert er dadurch die eigene Identität, das, was ihn einzigartig macht. Aber das Glück an Maxines Seite, die er in der Zwischenzeit geheiratet hat, ist nicht von Dauer. Schließlich pocht eine Greise Gruppe, angeführt von Dr. Lester, auf die Beanspruchung des von ihnen zum Jungbrunnen erkorenen menschlichen Gefäßes. Ein höchst ungewöhnliches Werk, hintersinnig, humorvoll und veredelt durch selbstironische Gastauftritte von Charlie Sheen, Sean Penn und Brad Pitt. Ein Paradebeispiel innovativer Filmkunst.

Wertung: 9 out of 10 stars (9 / 10)

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