Auch BAYSIDE haben Victory Records den Rücken gekehrt. „Killing Time“, das fünfte Studioalbum der Indie-Rocker aus Long Island, erschien über Wind-Up. In solchen Phasen des Umbruchs stellt sich unweigerlich die Frage, ob eine Band den für sie typischen Sound beibehalten kann oder im Wechsel des Vertragspartners zugleich die Möglichkeit der stilistischen Neuorientierung ergreift. In diesem Fall aber sind Befürchtungen und Vorahnungen unbegründet. BAYSIDE klingen auch im Jahr 2011 unverkennbar wie BAYSIDE. An seinem Sound gefeilt hat der Vierer dennoch. Mit überraschender Deutlichkeit.
Auf den beiden Vorgängern „The Walking Wounded“ und vor allem „Shudder“ drängte sich bisweilen der Eindruck auf, als würden sie ihren endgültigen Stand noch suchen. Auf zugegeben hohem Niveau trat das Quartett auf der Stelle, was sich auch in der nicht vollends entfalteten Stimme von Frontmann Anthony Raneri widerspiegelte. Überraschenderweise blüht gerade er auf „Killing Time“ förmlich auf und serviert in stets mitreißender Manier vokale Höhen und Tiefen, die den unterschwelliger als zuletzt durchschimmernden melancholischen Charakter begeisternd ausloten.
Obwohl die Produktion glatter als zu Victory-Zeiten erscheint, haben sich BAYSIDE ihre Ecken und Kanten bewahrt. Die Experimentierfreude wurde zwar zugunsten des spürbar gesteigerten Hitpotentials eingedampft, ihre Zeit zur vollen Entfaltung beanspruchen die zehn Songs aber immer noch. Ausgehend vom temporeichen Opener „Already Gone“ zieht die Band über melodisch beeindruckend gestaltete Nummern (inklusive packender Gitarrensoli) wie „Sick, Sick, Sick“, „It’s Not a Bad Little War“, „The Wrong Way“ oder „The New Flesh” sämtliche Register von punkigem und gleichsam schwer rockendem Indie. Somit ist „Killing Time“ endlich der befreiende Wurf, den BAYSIDE in den letzten Jahren stets andeuteten. Wer Genre und Sound für inflationär hält, wird hier eindeutig eines besseren belehrt!
Wertung: (8 / 10)