Harvey Keitel („Reservoir Dogs“) ist der „Bad Lieutenant“. Eine Performance am Rande der Selbstzerstörung. Die Welt des von ihm brillant verkörperten Polizisten ist geprägt von Korruption und Drogensucht. Seine Tage verbringt er im Vollrausch, den Stoff dafür besorgt er sich von geschnappten Kleinkriminellen. Hemmungen kennt er keine. Eine Frau nötigt er zur Simulation eines Blow Jobs, zu der er vor der Tür ihres Wagens masturbiert. Keitels Tour de Force, die ihm über selbstmitleidige Tränenattacken bis zur Nacktheit einiges abverlangt, zählt zu den größten Leistungen seiner bewegten Karriere.
In seinen Filmen geht Abel Ferrara dahin, wo es weh tut. Mitten hinein in menschliche Abgründe. Das war bei „Die Frau mit der 44. Magnum“ so, bei „Snake Eyes“, gleichwohl bei „The Blackout“. Sein Oeuvre ist das Unbequeme, das seelische Schattenreich zerrütteter Protagonisten. Solche wie der „Bad Lieutenant“. Er befindet sich in einer Abwärtsspirale, die ihn unerbittlich in einen Abgrund zieht, aus dem es kein Entrinnen mehr gibt. Das letzte, was er noch retten könnte, ist seine Seele. Als eine Nonne brutal vergewaltigt und ermordet wird, sucht er über die Aufspürung der Täter die eigene Erlösung.
Das Opfer aber vergibt seinen Peinigern. Wie könnte er da noch den Richter spielen? Dabei könnte er die ausgesetzte Belohnung für die Ergreifung der Schuldigen gut gebrauchen. Der verwahrloste und moralisch bankrotte Cop ist durch seine Spielsucht in Misskredit geraten. Natürlich kann diese Geschichte eines verpfuschten Lebens nicht gut ausgehen. Die immensen Wettschulden lassen die Gläubiger rigide Maßnahmen ergreifen. Die Methoden sind so direkt wie die Bilder, nichts wird geschönt, nichts emotional aufgeheizt. Ferrara liebt diese nüchterne Distanz zu seinen Figuren. Mitleid verdienen sie meist sowieso nicht.
Eine klare Handlungsstruktur verfolgt der Regisseur, der neben dem in einer Nebenrolle agierenden Paul Calderón („King of New York“) auch am Drehbuch mitschrieb, kaum. Sein trostloses Großstadt-Drama ist eine Mosaik-artige Charakterstudie, die ihre Spannung allein aus der abgründigen Darstellung Keitels zieht. Neben ihm verkommen die anderen Darsteller – u.a. tritt der bewährte Victor Argo („King of New York“) in Erscheinung – zur Makulatur. Am unvermeidlichen Schlusspunkt dieses intensiven und höchst unbequemen Films endet das Leben des „Bad Lieutenant“. Unspektakulär, ohne Grund zur Trauer. Wahrscheinlich hat er die Welt erst im Tod zu einem besseren Platz gemacht. Ein schier unvergessliches Meisterwerk.
Wertung: (9 / 10)