Wenn es für Charakterdarsteller in Hollywood kaum mehr vernünftige Rollenangebote gibt, erscheinen Engagements aus dem Ausland nur umso reizvoller. Der gebürtige Engländer Gary Oldman („Romeo is Bleeding“) verdient sein Geld in der Hauptsache in Amerika, wahrt aber seit Jahren den Blick über den Tellerrand der US-Großproduktionen. Denen gegenüber steht auch die spanisch-britisch-französische Koproduktion „Backwoods“, in der Oldman durch die eigentümlichen Gesetzmäßigkeiten der provinziellen Bevölkerung in einen zerstörerischen Sog der Gewalt gerät.
Der von Koldo Serras inszenierte und gleichwohl mit-verfasste Film erinnert stark an Sam Peckinpahs „Straw Dogs“. Die einst von Dustin Hoffman brillant verkörperte Figur des zur brutalen Raserei getriebenen Intellektuellen füllt hier Paddy Considine („Dead Man´s Shoes“), dessen aufreizende, mit der ehelichen Situation unzufriedene Gattin von Virginie Ledoyen („8 Frauen“) gespielt wird. Die beiden, Norman und Lucy, sind mit seinem ehemaligen Vorgesetzten Paul (Gary Oldman) und dessen Frau Isabel (Aitana Sánchez-Gijón, „The Machinist“) auf Urlaub im Nordspanien des Jahres 1978. Dort hat Paul das Haus seiner aus der Gegend stammenden Großmutter gekauft und restauriert.
Im von der Außenwelt abgeschnittenen Hinterland wollen die Paare einige ruhige Tage verbringen. Lucy, die sich seit einem ungewollten Schwangerschaftsabbruch von Norman abkapselt, hellt die Stimmung nicht gerade auf, als sie in einem nahe gelegenen Dorf bewusst die lüsternen Blicke der Einwohner auf sich zieht. Als die Männer zu einem Jagdausflug aufbrechen, stoßen sie in einem scheinbar verlassenen Haus auf eine verriegelte Kammer, in der ein verwahrlostes, körperlich behindertes Mädchen wie ein Tier gehalten wird. Sie nehmen sich der Kleinen an, werden jedoch von dem sie suchenden Paco (Lluís Homar, „Deadly Cargo“) und seinen drei Brüdern aufgesucht, als sie gerade zur Polizei aufbrechen wollen.
Laut Paul ist die einzige Wahrheit auf der Welt, dass es Jäger und Gejagte gibt. Er selbst bekommt dies am eigenen Leib zu spüren, erklärt er sich doch bereit, um das von ihm gesponnene Lügenkonstrukt aufrecht zu erhalten, bei der Suche nach der Vermissten zu helfen. Die beklemmende Grundstimmung erreicht ihren Höhepunkt, als der freiwillige Helfer festgesetzt wird, während zwei der Provinzler Lucy und Isabel einen Besuch abstatten. Affekthandlungen wachsen zu einer Katastrophe an, die bald erste Menschenleben kostet. Dabei verstärkt die zeitliche Einordnung der Geschichte nicht nur die trübe Atmosphäre, schließlich sorgt der Rückblick in die kommunikationstechnisch verhältnismäßig wenig fortgeschrittenen Siebziger für die glaubhafte Isolierung, sondern auch die Parallelen zum erwähnten Vorbild Peckinpahs.
Von der Ausstattung bis zur Dramaturgie bedient sich Serras ausgiebig beim Werk des 1984 verstorbenen Regiekollegen. Der vom wütenden Lynchmob verfolgte Behinderte wird durch den Fund des zurückgebliebenen Kindes ersetzt. Trotz veränderter Vorzeichen folgt die Geschichte einem fast identischen Muster, was sich erst im bitteren, die gewollte Rettung des Mädchens in Frage stellenden Finale zerstreut. „Backwoods“ ist ein von ruhiger Hand inszeniertes, stimmungsvoll fotografiertes Psycho-Drama mit intensiven Momenten. Ein starker Film, dem es zwar an Eigenständigkeit mangelt, der nicht allein als Hommage an einen umstrittenen Klassiker aber wunderbar funktioniert.
Wertung: (7 / 10)