„The unresolved past can certainly wreak havoc on the present.“
Die Sklaverei ist eines der größten Verbrechen in der Historie der USA. Der tief verwurzelte Rassismus vergangener Tage vergiftet die Gesellschaft bis heute. Ein Film, der diesen Zustand mit erhellender Radikalität umschreibt, ist „Antebellum“. Das Kino-Debüt der beiden Autorenfilmer Gerard Bush und Christopher Renz, die zuvor durch Kurzfilme und Video-Clips auffielen, wurde u. a. von Raymond Mansfield und Sean McKittrick produziert, die bereits mit dem modernen Klassiker „Get Out“ (2017) halfen, das Thema mit den Mitteln des Genre-Kinos zu artikulieren.
Der Beginn zeigt eine Baumwollplantage im Süden der USA. In einer langen Fahrt erkundet die Kamera das Terrain, vom herrschaftlichen Haupthaus über die Sklaven-Baracken bis zu den Feldern. Dazwischen marschieren konföderierte Soldaten. Deren Befehlshaber ist ein General (Eric Lange, „Narcos“), dessen rechte Hand, Captain Jasper (Jack Huston, „Boardwalk Empire“), am Ende jener stilistisch wertigen Einführung eine flüchtende Schwarze erschießt. Ihr festgesetzter Mann Eli (Tongayi Chirisa, „iZombie“) ist dazu verdammt, die Hinrichtung tatenlos zu bezeugen. Die Tonalität, daran lassen Bush und Renz keine Zweifel, ist drastisch.
Die zum Schweigen verdammten Zwangsarbeitenden sind ihren Peinigern ausgeliefert. Wie treffend der Terminus der „Leibeigenschaft“ diesen Zustand umfasst, zeigt sich am General, der die Sklavin Eden (Janelle Monáe, „Hidden Figures“) wie selbstverständlich vergewaltigt. Doch die junge Frau lässt sich entgegen jeder Erniedrigung und Misshandlung nicht brechen. Auf diesem Wege könnte „Antebellum“ eine Geschichte über Geschichte erzählen; aufwühlend zwar, im Sinne seiner eigenen, kontextuell übergreifenden Bedeutung aber lediglich eine Ergänzung zu wichtigen Vorgängerwerken wie „12 Years a Slave“ (2013).
Doch das plötzliche Klingeln eines Mobiltelefons schlägt eine Brücke in die Gegenwart und zeigt am Beispiel der Soziologin Veronica Henley (auch Monáe), wie Rassismus in der modernen Welt funktioniert. Veronica ist privilegiert, erfolgreiche Autorin und Aktivistin. Ungleich behandelt wird sie trotzdem. Das wird bei einem Treffen mit Freundinnen ersichtlich, aus deren Riege die selbstbewusste Dawn („Precious“-Star Gabourey Sibide) Vorurteile mit freundlich formulierter Konfrontationslust quittiert. Die Schatten des Auftakts bleiben über Symbole, Bilder und das Auftreten von Jena Malone („Die Tribute von Panem“) allgegenwärtig, die einerseits als Plantagen-Eignerin und andererseits als Senatorentochter in Erscheinung tritt.
Über den Zusammenhang der narrativen Ebenen, die durch Vorzeichen und Andeutungen zur Rezeptionswiederholung einladen, soll an dieser Stelle kein Wort verloren werden. Nur so viel: Wenn die Erzählung zu Eden zurückkehrt, sind die Grenzen zwischen gestern und heute weggewischt. Der eigenwillige, intensiv gespielte – siehe auch Kiersey Clemons („Sweetheart“) als schwangere Sklavin Julia – und clever konstruierte Mix aus Drama, Mystery-Thriller und (Real-)Horror kommt zwar nicht umhin, während des finalen Fluchtszenarios, ähnlich „Get Out“, auf konventionelle Spannungserzeugung und Eskalation zu setzen, doch überwiegt im wendungsreichen, bewusst übersteigerten Schreckensszenario die unumstößliche Botschaft: Rassismus ist kein Gespenst der Vergangenheit.
Wertung: (8 / 10)