Anatomie einer Entführung (USA/D 2004)

anatomie-einer-entfuehrungWayne Hayes (Robert Redford, „Jenseits von Afrika“) hat so ziemlich alles, was man sich wünschen kann: Er sieht auch im Alter noch fantastisch aus, ist mit Eileen (Helen Mirren, „Gosford Park“) verheiratet, so reich wie es nur geht und hat eine respektvolle Affäre mit einer ehemaligen Angestellten (Wendy Crewson, „Air Force One“). Arnold Mack (Willem Dafoe, „Platoon“) hingegen hat es nicht ganz so gut erwischt: Er wohnt zusammen mit seiner Frau (Elizabeth Ruscio, „28 Days“) bei deren Eltern und ist chronisch Pleite. Eines Tages liest er in der Zeitung über Wayne Hayes, mit dem er vor Jahren einmal in der gleichen Firma gearbeitet hat. Was liegt also näher, als die Frau von Hayes zu einer solidarischen, nicht zweckgebunden Spende für sozial niedriger Gestellte zu überreden? Und um ihre Entscheidungskraft zu stärken, entführt Arnold ganz einfach Wayne.

Regisseur Pieter Jan Brugge baut seinen Erstling in zwei Handlungssträngen auf. Zum einen erzählt er die Geschichte von zwei Männern allein im Wald, zum anderen erkundet Waynes Frau in dessen ungewollter Abwesenheit sein Leben – man ist sich über die Jahre schon ein wenig fremd geworden – und erkennt, was für ihr gemeinsames Leben wirklich wichtig ist. Der Film krankt an mehreren Enden: Erstens ist eben dieser zweite Handlungsstrang so unglaublich kitschig, wie er es nur sein könnte. Kein Klischee wird ausgelassen – da erzählt die reiche Ehefrau schon mal der Tochter, wie viel schöner und einfacher das Leben doch war, als man nicht ganz so reich war. Auch wenn die Ehrefrau unausweichlich mit der Geliebten zusammentreffen muss, kommt der Film nicht über Soap-Qualitäten heraus – erstaunlich bei den eigentlich guten Darstellern.

Auch die Dialoge zwischen Wayne und Arnold sind nur schwer erträglich. Robert Redford findet sich zwischen seiner routinierten smarten Paraderolle inklusive Colgatelächeln und nachdenklichem Gesichtsausdrücken wieder, Willem Dafoe gibt den unterwürfigen und verunsicherten kleinen Angestellten mit angeklebten Schnurrbart, der sich schauspielerisch sehr stark an der Dialogszene des Grünen Kobolds und Norman Osborn in „Spider-Man“ orientiert – bislang die mieseste darstellerische Leistung Dafoes, die er hier aber gekonnt unterbietet. Robert Redford findet sich irgendwo noch unterhalb des „Pferdeflüsterers“.

Vielleicht ist es aber auch ungerecht, die Darsteller für den Film verantwortlich zu machen. Das größte Problem ist und bleibt das Drehbuch – auch das erste, das Pieter Jan Brugge in seinem Leben aufs Papier gerotzt hat. Innovativ verzichtet er auf jegliche Form der Wendepunkte oder Pointen. Die Handlung zeichnet sich ausschließlich durch eine gähnende Langeweile aus, die nicht mal in den kleinen, lieblos eingestreuten Action-Sequenzen vertrieben wird, wenn sich zwei Männer mittleren oder höheren Alters auf dem Waldboden wälzen. „Anatomie einer Entführung“ – ein selten dämlicher deutscher Titel für „The Clearing“ – soll Suspense sein. Also rufen wir uns doch mal Alfred Hitchcocks Definition für Suspense ins Gedächtnis: „Eine Bombe unter einem Tisch, die explodiert – das ist Surprise. Eine Bombe unter einem Tisch, die nicht explodiert – das ist Suspense.“ In „Anatomie einer Entführung“ gibt es leider keine Bombe.

Wertung: 4 out of 10 stars (4 / 10)

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