Amazonas – Gefangen in der Hölle des Dschungels (I/BR 1985)

Wenn Italiens Filmindustrie um eines nicht verlegen war, dann ist es die Überwindung von Genre-Grenzen. Beispiel gefällig? Nehmen wir Michele Massimo Tarantinis („Das Schwert des Barbaren“) in den mittleren 80ern unter dem Pseudonym Michael E. Lemick geschriebenes wie gefertigtes Exploitation-Allerlei „Amazonas – Gefangen in der Hölle des Dschungels“ (internationaler Alternativtitel: „Massacre in Dinosaur Valley“). Denn bei diesem prallt Survival-Abenteuer auf Kannibalen- und Gefangenenlagerfilm. Obendrauf gibt’s eine Prise Prügel-Klamotte, reichlich nackte Haut und entgleisende Gesichtsgrimassen. Für die bierselige Schund-Klientel (und nur die!) ein gefundenes Fressen.

Im brasilianischen Nirgendwo kommt eine Gruppe Fremder zusammen, um gemeinsam ein Charterflugzeug zu besteigen. Neben Haudegen Kevin Hall („Blastfighter“ Michael Sopkiw), der im entlegenen Dinosauriertal nach Überresten prähistorischer Lebewesen fahndet, sind Professor Ibañez (Leonidas Bayer, „Die Gewehre“), dessen Tochter Eva (drehte mit Tarantini auch „Ausgestoßen – Nackte Gewalt im Frauengefängnis“: Suzane Carvalho), ein Fotograf mit zwei Nacktmodels (als Belinda dabei: Susan Hahn) sowie der sich aufspielende Vietnam-Veteran John (Milton Rodríguez, „Tornado“) samt Gattin Betty (als Marilyn-Monroe-Verschnitt zum Schreien: Marta Anderson, „Prison of Dead“) an Bord. Als die Maschine (oder besser: ein urkomisches Miniaturmodell) im Dschungel abstürzt, beginnt der Überlebenskampf ausgerechnet im Revier eines indigenen Kannibalenstammes. 

Die sleazige Farce, die (beinahe) alles in den Mixer wirft, was dem Italo-Kino in den 70ern und 80ern lieb und teuer schien, ist abseits des Schmuddel-Charmes ziemlich doof – und gerade deshalb mit respektablem Unterhaltungswert versehen. Die flotte Abhandlung des Alibiplots und die gnadenlos überzogenen Figuren leisten entsprechende Hilfestellung. Bestes Beispiel ist John, der gleich das Kommando an sich reißt. Dschungel ist schließlich Dschungel. Und Indios sind doch praktisch auch Vietcong! Bevor die Menschenfresser aber zur Halbzeit auf Fleischeinlage pochen, gilt es, diversen Gefahren des Urwalds zu trotzen, so dass sich die Riege der Überlebenden in ordentlicher Taktung lichtet. 

Nach dem Ein- und Angriff der Wilden, die mehr aussehen wie kostümierte Zivilisationsrepräsentanten – hier wiesen Werke wie „Cannibal Holocaust“ (1979) deutlich größere Sorgfalt auf –, steht ein Ritual auf dem Plan, das vor Einfalt buchstäblich Funken schlägt. Wem das noch nicht albern genug erscheint, bekommt gleich darauf einen Priester mit Dinoschädel-Maske spendiert, der mit grüner Latexklaue nacktes Fleisch malträtiert. Bloß gut, dass Kevin genug Schrotflintenmunition (und Zeit) hat, um eine (naja) spektakuläre Flucht zu planen. Dabei kann er in bester John-Wayne-Manier den halben Stamm mit Kugeln perforieren, ohne nachzuladen. Wer hat, der kann! Vorbei ist der Spuk damit aber längst nicht. Denn der kernige Held gerät mit Eva und Belinda in die Fänge des sadistischen Sklavenhalters China (beim George-Clooney-Ähnlichkeitswettbewerb zumindest mit moderaten Chancen: Carlos Imperial, „Sinnliche Lust“), der illegal nach Edelsteinen buddeln lässt.  

Dass Tarantini (übrigens ein Cousin von Regie-Kollege Sergio Martino) von einem Genre zum nächsten stolpert, lässt den Gore-Gehalt in der allgemeinen Verwässerung überschaubar ausfallen. Punktiert blutig wird es trotzdem, etwa beim von Piranhas abgeneigten Bein oder dem aus der (Latex-)Brust geschnittenen Herz. Rüde geht es allerdings auch bei China zu, der die Frauen zum Missbrauch freigibt und Kevin zu den Schweinen sperrt. Müßig zu erwähnen, dass die Hoffnung auch diesmal nicht schwindet – und zum Finale in Sachen Coolness so dick aufträgt, dass selbst die angedeutete Vergewaltigung gleich vergessen ist. In Italiens Exploitation-Werkstatt war eben alles erlaubt… und nichts heilig. 

Wertung: 4 out of 10 stars (4 / 10) 

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