Alle Anderen (D 2009)

alle-anderenDie Liebe, so sang schon Connie Francis, ist ein seltsames Spiel. Als Paar zusammen sein heißt sich dem anderen zu öffnen, nicht selten sogar einen Teil des eigenen Selbst für die Chance eines gemeinsamen Lebens zurückzunehmen. Aber Gefühle kommen und gehen. Niemand weiß, egal wie intensiv er im Augenblick auch empfinden mag, was die Zukunft bringt. Sind die Schmetterlinge erst verflogen, wird die Beziehung im Alltag auf ihre Beständigkeit geprüft. Eine der entscheidenden Fragen ist dabei, ob es den Partnern gelingen kann, über die Schwächen des anderen hinwegzusehen. Wenn nicht, reiben sich die Liebenden zwangsläufig an falschen Erwartungen auf.

In ihrem beeindruckenden Drama „Alle Anderen“ blickt Regisseurin Maren Ade („Der Wald vor lauter Bäumen“) auf eine Beziehung am Rande des Scheiterns. Auf Sardinien verbringen Gitti (Birgit Minichmayr, „Das weiße Band“) und Chris (Lars Eidinger, „Das Fenster zum Sommer“) ihren Urlaub im Haus seiner Eltern. Der mit Entscheidungen ringende Architekt soll vor Ort den Umbau eines Hauses planen. Doch wieder hadert er, den freien Geist in Gefahr wähnend. In der impulsiven Gitti weckt das Zweifel. Zu offensichtlich scheinen plötzlich die Unterschiede. In der Konsequenz wird der Ton zwischen den beiden schärfer, Streitigkeiten nehmen zu.

Ihnen gegenüber stellt Ade, die auch das Drehbuch schrieb, das Paar Hans (Hans-Jochen Wagner, „Montag kommen die Fenster“) und Sana (Nicole Marischka, „Die Wolke“). Ihn kennt Chris aus Studienzeiten. Nur ist der gönnerhafte Hans weit zielstrebiger und erfolgreicher. Seine schwangere Frau Sana ist eine bekannte Modedesignerin. Unter der Oberfläche eines beiderseitig selbstbewussten und eigenständigen Ehepaars entblößen sie jedoch klassische Rollenbilder. Als der sonst so zurückhaltende Chris beginnt, dies Verhalten zu adaptieren und Gitti zu dominieren, versucht sie erst dieser Wandlung gerecht zu werden, grenzt sich jedoch zunehmend frustriert von ihm ab.

Der Blick auf das Wechselspiel aus Näherung und Entfremdung gelingt so intensiv wie unprätentiös. Nahezu beiläufig begleitet die Kamera das Paar durch die zehrenden Momentaufnahmen und wahrt stets Distanz. Der Erzählton bleibt nüchtern, was den großartigen Darstellern (Minichmayr erhiehlt bei der Berlinale 2009 den Silbernen Bären als Beste Darstellerin, Ade wurde mit dem Großen der Preis der Jury ausgezeichnet) die nötige Freiheit lässt, ihre Figuren ohne inszenatorische Wertung zu entfalten. Die in „Alle Anderen“ aufgeworfenen, durch das offene Finale klugerweise nicht ihrer diskursiven Tragkraft beraubten Fragen dürften nicht wenige Zuschauer veranlassen, die eigene Beziehung zu hinterfragen. Eine solch nachhallende Wirkung hatte das Deutsche Kino lange nicht zu bieten.

Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

 

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