Aiden – Rain in Hell (2006, Victory Records)

aidenraininhellAIDEN sind die geschminkten Buben aus der Grunge-Hochburg Seattle. Nach ihrem ersten Album „Our Gangs Dark Oath“ lockte der Kontrakt mit Victory Records ein breiteres Publikum, das sich vom Labeldebüt „Nightmare Anatomy“ nur zu gern in die alptraumhafte Welt von Sänger wiL und seinen Mitstreitern entführen ließ. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht, dass da etwas ganz großes auf die (Underground-)Musikwelt zurollen würde. Vor allem vor Publikum machte sich die Band durch energetische Shows einen Namen. Ihre ersten Gastspiele in Europa jedoch wollten die Massen noch nicht recht erreichen. Aber gut Ding wollte auch diesmal Weile haben.

„Nightmare Anatomy“ gefiel als mustergültiger Entwurf des düsteren Emo-Core. Die treibende Mischung aus Indie-Rock, Hardcore und Punk, serviert auf dem Buckel von Teenagerproblemtexten um Selbstzweifel und Angstzustände, sprach dem jungen Publikum aus der Seele – und wurde für das Gespann zum Garanten eines respektablen Aufstiegs. Schnell jedoch war klar, dass AIDEN die Weiterentwicklung anstrebten. Sie hätten sicher noch ein, zwei Platten lang das immer gleiche Repertoire an krachigen Temposongs mit ohrwurmlastigen Refrains abspulen können. Die Richtung aber sollte eine andere sein. Von ihr kündet „Rain in Hell“.

Das Bundle aus EP und DVD – enthalten sind einige Video- und Konzertclips – stärkt im besten Falle die Fanbasis, ist aber kaum geeignet den Rahmen ihrer Popularität zu erweitern. Ist eine abgespeckte Songauswahl ohnehin schon kaum für mehr als einen Schnupperkurs geeignet, sorgen die stilistischen Einschnitte sowie zwei verzichtbare Coverversionen – von Billy Idols „White Wedding“ und dem MISFITS-Track „Die, Die My Darling“ – für Runzeln auf der Stirn. Dabei gibt bereits das (Candlelight) Intro Aufschluss über das Vorgehen des Fünfers. Rockiger soll es werden, mit reduzierten Krachsalven und mehr Chorälen. Die Vorbilder stehen denn auch unverzüglich Spalier: AFI.

Die Fußstapfen von Davey Havok und Co. sind für wiL und die seinigen aber zweifelsohne eine Nummer zu groß. So misslingt ihnen der Versuch epischer Breite, weil die zündende Idee fehlt, über den Schatten der bloßen Epigone hinaus zu springen. Eine AFI-Kopie im mittleren Tempobereich braucht niemand. Am wenigsten AIDEN selbst. Bis zur akustischen Jaulattacke „Silent Eyes“ fehlt der Saft und die Kraft, also all das, was die Schwächen von „Nightmare Anatomy“ zu kaschieren wusste. Als experimenteller Freiraum sei ihnen „Rain in Hell“ gegönnt. Nur sollte der nächste Langspieler ein Stück mehr Leidenschaft – und nicht nur Leidensfähigkeit – an den Tag legen.

Wertung: 5 out of 10 stars (5 / 10)

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