A FIRE INSIDE, kurz AFI, haben den Mainstream zu ihrer Spielwiese erkoren. Das besondere daran ist, dass die Mannen um Frontmann Davey Havok keinen musikalischen Trends Folge leisten, sondern selbige initiieren. Als nicht unbedingt logische Konsequenz erlangte ihr letztes Album „Sing the Sorrow“ in den vereinigten Staaten Platinstatus. Seit jeher und mittlerweile sieben Platten generiert die Band ein eigenes Regelwerk der kontinuierlichen Weiterentwicklung. Fans der ersten Stunde folgten melodiösem Hardcore auf zunehmend progressiven Pfaden in die Gegenwart. „The Art of Drowning“, für viele die beste Scheibe des Quartetts, markierte den endgültigen Wegweiser in eine Zukunft, die von stilistischen Experimenten und ausgefeilter Massentauglichkeit geprägt ist.
„Decemberunderground“ ist der Nachfolger zu „Sing the Sorrow“. Das Majorlabel ist ein anderes, das Zepter ging von Dreamworks an Interscope. Musikalisch bleibt alles beim alten, will heißen auch diesmal kopieren sich AFI nicht selbst. Die elektronischen Schnipsel zur Auskleidung der Bandbreite nehmen zu, ebenso verbreitert sich die Kluft zwischen säuselnden, unterschwellig fast poppigen Ohrwürmern und wütenden Rückgriffen auf die ungestüme Zeit des Hardcore. Natürlich verzichten AFI auch diesmal nicht auf die Theatralik des obligaten Openers, der in diesem Falle aber bereits das gesamte Stimmungsbild des Albums reflektiert.
Mit aufgebauschten Emotionen und überzeichneter Dramatik wird die Inszenierung von Gefühlswelten zelebriert. Das diese aber nur an der Oberfläche artifiziell erscheinen, ist der famosen Produktion zu verdanken, die einen Ohrenschmaus erster Güte serviert. Hinter der schillernden Fassade offenbart „Decemberunderground“ ein episch angehauchtes Opus in 13 Akten. Die Texte geben sich gewohnt bedeutungsschwanger, die Songs verweben sich zu einem durchgängigen Teppich auditiver Zerrissenheit. Selbst die für sich betrachtet gewöhnungsbedürftige Singleauskopplung „Miss Murder“ fügt sich nahtlos in den Kontext der Scheibe ein und entfaltet im Zusammenwirken mit den übrigen Tracks ihr volles Potential. AFI verstehen sich meisterlich auf fesselnd melancholische Klangkonstruktionen. Den Vergleich zum Vorgänger meidet „Decemberunderground“. Ein neues Album mit neu erschlossenen Facetten. Grund zur Beschwerde gibt es keinen.
Wertung: (8 / 10)