Abstürzende Brieftauben – Doofgesagte leben länger (2016, Fuego)

abstuerzende-brieftauben-doofgesagte-leben-laengerDie TAUBEN fliegen wieder. Immer noch zu zweit, immer noch tief. Allerdings mit veränderter Besetzung. Als Konrad K. im Mai 2006 überraschend starb, waren die ABSTÜRZENDEN BRIEFTAUBEN längst Geschichte. Nur vergessen wurden sie nicht. 2013 dann der Neuanfang. Das zweite Gründungsmitglied „Micro“ Bogumil erhielt Unterstützung von Olli alias Jonny Bockmist. Zunächst ging es nur um Konzerte. Doch die Resonanz stimmte, das Wohlwollen war groß. Vorbei die Zeit, als die Fun-Punks von der Szenepolizei für ihre Kollaboration mit der BRAVO heftig angefeindet wurden. Für Aufsehen sorgte dann „Nie wieder Pegida“, der politisch hochwillkommene Vorgeschmack auf das erste Album der Band seit 1997.

Mittlerweile ist das Gesamtwerk erschienen. Der Titel „Doofgesagte leben länger“ verschafft der Selbstironie gleich angemessen Raum. Dazu erfolgt auf dem Cover die Rückkehr des Buckligen. Das sitzt, selbst wenn die Artworks der TAUBEN früher liebevoller wirkten. Gleiches trifft übrigens auch auf die Musik zu. Den 16 Stücken haftet ein wenig Proberaumcharme an. Früher wirkten sie gern poppig, heute schrammeln sie, was die Instrumente hergeben. Zum Nachteil wird das jedoch nur beim krampfhaften Vergleich mit den bandeigenen Klassikern, vorrangig „Im Zeichen des Blöden“ (1989) und „Der Letzte macht die Tür zu“ (1990). Die Anknüpfung erfolgt nach dem Intro mit „Das Grauen, Teil III“ und wird über eingestreute Selbstzitate bei „Pieke Punk“ auf die Spitze getrieben.

Dass Punk und Augenzwinkern noch immer Hand in Hand gehen, beweisen die TAUBEN mit gesteigerter Hymnenhaftigkeit – und dem üblichen harmonischen Wechsel-Gesang. Dazwischen verirren sich mal Ska-Rhythmen oder Bläser. Das wirkt angenehm vertraut, dabei aber nie wie das letzte Aufbäumen einer Combo, die es zwingend noch einmal ins Rampenlicht zieht. Die Rückkehr wirkt sympathisch; und schwungvoll, wie etwa die launigen „Ausschlafen“, „Lindener Girls“, „No Future war gestern“, „Pause“ oder „Im Garten sind Mörder“ unterstreichen. Mit „Die Blumen sind für sie Herr Polizist“ wird zudem eine im Deutsch-Punk ungewöhnliche Tonlage gegenüber der Staatsmacht angewandt. Politisch wird es erwartbar selten. Neben dem Anti-Pegida-Statement vorrangig bei „Freiheit stirbt“, das sich gegen die systematische Überwachung durch NSA & Co. richtet. Zwingend gehaltvoll ist „Doofgesagte leben länger“ mitnichten, dafür umso kurzweiliger. Ein Comeback, das einfach Spaß bereitet!

Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

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