8MM – Acht Millimeter (USA/D 1999)

„If you dance with the devil, the devil don’t change. The devil changes you.” – Max California

In Fankreisen besitzt „8MM – Acht Millimeter“ Klassikerstatus. Über die Schwächen – und vertanen Chancen – des düsteren Thrillers sollte das allerdings nur bedingt hinwegtäuschen. Daher lohnt es sich, vor der Beschäftigung mit dem eigentlichen Streifen, dessen begleitende Umstände zu skizzieren. Deren Krux liegt im Skript von Andrew Kevin Walker, der mit „Sieben“ (1995) einen Genre-definierenden Meilenstein verfasst hatte. Mit dem vier Jahre später verfilmten Abstieg in die Niederungen des Snuff-Films wollte er die Grenzen klassischer Hollywood-Kost sprengen. Das hätte potentiell gelingen können, wäre dem produzierenden Studio Sony die Angelegenheit nicht zu heikel erschienen.

Ursprünglich als Low-Budget-Produktion mit Russell Crowe in der Hauptrolle geplant, stiegen die Finanzmittel mit dem Interesse von Noch-Kassengold Nicolas Cage („Face/Off“) beträchtlich. Grünes Licht für die Produktion gab es trotzdem nicht. Denn kein Regisseur erklärte sich bereit, Walkers Skript umzusetzen. Bis auf einen: Joel Schumacher. Dessen „Batman & Robin“ (1997) war das quietschbunte Gegenteil von „8MM“. Allerdings hatte Schumacher mit „Falling Down“ (1993) bewiesen, dass er auch abgründigere Stoffe handhaben kann. Nur die Zweifel der Studio-Oberen konnten nicht ausgeräumt werden. Also wurden Änderungen des Skripts verordnet, die Schumacher mit Nicholas Kazan („Dämon“) besorgte. Das wiederum führte dazu, dass sich Walker vom Projekt distanzierte. Bis heute soll er den fertigen Film nicht gesehen haben.   

Für einen Vergleich zwischen Walkers ursprünglichem Entwurf und Schumachers (Light-)Version siehe hier.

Ungeachtet der aufhellenden Eingriffe musste die ursprüngliche Fassung mehrfach geschnitten werden, um ein R-Rating zu erhalten. Zu den entschärften Szenen zählen u. a. zwei markante Gewaltakte: der Kehlenschnitt und die Hinrichtung mit einem Pistolengriff. Zudem mussten diverse Ausschnitte aus Pornofilmen getrimmt werden. Tatsächlich soll eine merklich härtere Workprint-Fassung existieren. Allerdings hat Sony bislang keine Bestrebungen gezeigt, diese zu veröffentlichen. Für die Konventionsmaßstäbe der Traumfabrik ist „8MM“ aber auch in der Kinoversion durchaus unbequem. Nur resultiert daraus längst kein guter Film.

„I want to hurt them. I want to punish them for what they did. Please give me your permission to punish them!“ – Tom Welles

Mit gedeckten Farben und düsterem Stimmungsbild orientiert sich der 2020 verstorbene Schumacher augenscheinlich an der Stilistik von „Sieben“-Regisseur David Fincher – und arbeitet sich obendrein an der Gebäudeanmutung des „Das Schweigen der Lämmer“-Baukastens ab. Dass sich Cages Privatermittler Tom Welles in diese verkommene Welt begibt, geht auf einen Fund der alten Mrs. Christian (Myra Carter, „Stephen Kings Sturm des Jahrhunderts“) im Nachlass ihres verstorbenen Mannes zurück. In einem Safe hat der Großindustrielle eine Filmspule gelagert, auf der die Ermordung einer jungen Frau zu sehen ist. Welles, der diskret und verschwiegen im Schmutz der Reichen und Mächtigen wühlt, soll die Echtheit des Materials prüfen und mehr noch die Verantwortlichen des Snuff-Clips identifizieren.  

Zum Leidwesen von Gattin Amy (Catherine Keener, „Being John Malkovich“) verabschiedet sich Tom mit Pistole im Gepäck. Bei seiner Recherche stößt er bald auf den Namen des Opfers: Mary Ann Mathews. Und ihr Ziel: Hollywood. Allerdings verschlägt es Tom nicht auf die glamouröse Seite der Entertainment-Metropole, sondern deren abgründige. So taucht er in die Welt der Hardcore-Pornografie ein und engagiert den jungen Szenekenner Max California (Joaquin Phoenix, „Gladiator“) als Führer. In Eddie Poole (James Gandolfini, „True Romance“), Produzent billiger Hardcore-Filme, vermutet Tom einen der Hintermänner des Snuff-Clips. Über ihn stößt er auf den in New York ansässigen Dino Velvet (Peter Stormare, „Fargo“), der Pornos am Rande der Legalität dreht – und in dessen Dienst der stets maskierte Machine (Chris Bauer, „The Wire“) steht, der Mörder von Mary Ann Mathews. Doch seine Enthüllungen bringen Tom in Lebensgefahr.

Der Abstieg in die moralische Hölle wird den Privatermittler nachhaltig verändern. Um das zu verdeutlichen, wird Tom als absoluter Saubermann eingeführt. Für die finale Entwicklung der Figur erscheint das notwendig, in Schumachers Erzählung wirkt es dennoch platt. Seine Verfassung wird anhand der Telefongespräche mit Amy reflektiert, die zunächst regelmäßig erfolgen, schlussendlich aber weitgehend ausbleiben. Dazu gibt es Bier zu Pornofilmen, um die relative Abstumpfung perfekt zu machen. Cage agiert solide, tendiert in entscheidenden Szenen aber zu mimischer Übertreibung. Anders Phoenix, der sich als Lichtblick glaubhaft in den pervertierten Mikrokosmos einfügt. Auf darstellerischer Seite erwähnenswert bleiben zudem Anthony Heald („Das Schweigen der Lämmer“) als Anwalt Longdale und der als Mary Anns Ex-Freund auftretende Norman Reedus („Der blutige Pfad Gottes“).   

Als Höhepunkt entpuppt sich der Mittelteil, respektive Toms Spurensuche mit Max. Die letztliche Entschlüsselung der Hintergründe kann da kaum mithalten. Allen voran durch die finale Selbstjustiz, die Schumacher dadurch legitimiert, dass Tom Mary Anns Mutter (Amy Morton, „Up in the Air“) um Absolution anfleht, die Snuff-Peiniger richten zu dürfen. So wird das heikle Thema durch Hollywood-gemäße Konventionen letztlich verwässert. Zwar sorgt die düstere Inszenierung, getragen von den Bildern Robert Elswits (Oscar für „There Will Be Blood“) und untermalt von der Musik Mychael Dannas (Oscar für „Life of Pi“), für eine teils beklemmende Atmosphäre, doch bleibt der Eindruck haften, dass „8MM“ ein weitaus besseres Filmwerk hätte werden können. So hat Paul Schraders vergleichbar angelegter „Hardcore – Ein Vater sieht rot“ (1979) noch immer die Nase vorn.

Wertung: 5 out of 10 stars (5 / 10)

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