Der Erfolg der „Matrix“-Trilogie mag ihm Recht erteilen, als waschechter Action-Recke geht Keanu Reeves dennoch nicht durch. Doch ist es gerade die ihm zu eigene melancholische Ader (manche würden es einfach Schlafzimmerblick nennen), die ihn im Zusammenspiel mit einer grundlegenden Verletzlichkeit für das Genre der harten Kerle interessant macht. Sie prädestinierte ihn auch für die Hauptrolle im fantastisch umwehten Historien-Abenteuer „47 Ronin“, das den ur-japanischen und schon mehrfach verfilmten Mythos der legendären herrenlosen Samurai in einen Hollywood-Blockbuster von der Stange transferiert. Aber seien wir fair, aufgrund des respektablen Unterhaltungswertes und der aufwändigen Ausgestaltung rangiert Carl Rinschs Langfilmdebüt immerhin oberhalb des passablen Durchschnitts.
Im feudalen Japan sind Samurai ebenso zu Hause wie Hexen und Dämonen. Von letzteren aufgezogen wurde Halbblut Kai (Reeves), der jedoch floh und vom gutherzigen Lord Asano (Min Tanaka, „Samurai der Dämmerung“) aufgenommen wurde. Über die Jahre reifte der stille Junge zum Mann und eroberte das Herz von Asanos Tochter Mika (Ko Shibasaki, „The Call“). Nur den Respekt der den Fürsten beschützenden Samurai um Ôishi (Hiroyuki Sanada, „Wolverine: Weg des Kriegers“) konnte er sich nicht verdienen. Als sich der Shogun (Cary-Hiroyuki Tagawa, „Die Geisha“) zum Besuch im Fürstentum anmeldet, fällt Asano einer Intrige von Lord Kira (Tadanobu Asano, „Ichi – The Killer“) und der ihn unterstützenden Hexe (Rinko Kikuchi, „Pacific Rim“) zum Opfer.
Das Fürstentum geht auf Geheiß des Shoguns an Kira, ebenso die Hand von Mika. Ôishi und seine Getreuen werden entehrt und zum Dasein als Ronin verdammt. Um den Willen des stolzen Samurai-Oberst zu brechen, wird dieser eingekerkert, während Kai ein Schicksal als Sklave erwartet. Nach einer ihr zugebilligten Trauerzeit von einem Jahr soll die Vermählung zwischen Mika und dem durchtriebenen Fürsten vollzogen werden. Als Ôishi kurz vorher freigelassen wird, spürt er Kai auf, trommelt die alten Verbündeten zusammen und zieht gegen den ausdrücklichen Befehl des Shoguns gegen Kira ins Gefecht. Doch die Hexe ahnt die Gefahr und lockt die rachsüchtigen Schwertkämpfer in eine Falle.
Das gut besetzte Fantasy-Spektakel vor historischem Hintergrund entwickelt sich nach belangloser Einleitung zu einem streckenweise überraschend düster gefärbten Schlachtengemälde. Die jugendfreie Action ist sehenswert inszeniert und legt bei Kostümen und Ausstattung sichtlichen Wert auf Authentizität. Dass die Geschichte um Ehre und Opferbereitschaft im dramaturgischen Stile typisch pathetischer US-Kinokost erzählt wird, bleibt verzeihlich. Schließlich sollte das Zielpublikum des rund 175 Millionen Dollar teuren – und weitgehend mit Japanern besetzten – Films mit gewohnten Schauwerten gelockt werden. Genützt hat es wenig, denn „47 Ronin“ entpuppte sich als kapitaler Flop. Aufmerksamkeit verdient hat das akkurat tragisch endende Rache-Epos trotzdem. Und sei es auch nur als flüchtig seine Reize ausspielende Brücke zwischen westlicher und fernöstlicher Leinwandkultur.
Wertung: (6 / 10)