39,90 (F 2007)

39,90„Willkommen in der schönsten aller Welten.“ – Werbeclaim

Werbung ist eine Scheinwelt, die Illusion eines Utopia in Gesellschaft und Familie. Ihr Markt ist gewaltig, die Umsätze gigantisch. Die Branche selbst jedoch ist vom eigens suggerierten Bild einer reibungsfreien, klinisch sterilen Alternativrealität weit entfernt. Frédéric Beigbeder, früher selbst Werber, rechnet in seinem Erfolgsroman „39,90“ – in D-Mark seinerzeit der Verkaufspreis des Buches, im Original mit dem Titel „99 Francs“ bedacht – gnadenlos mit ihr ab. Jan Kounen („Blueberry und der Fluch der Dämonen“) hat die Vorlage des Franzosen verfilmt – als kühnes, visuell überbordendes Pamphlet gegen den Ausverkauf von Träumen.

Den hat Octave Parango (Jean Dujardin, „OSS 117“), ein erfolgsverwöhnter, arroganter Texter in einer der größten Werbeagenturen der Welt, zur Profession getrieben. Doch hinter der Berufung klafft ein Mahlstrom aus Konsum, Heuchelei und Drogenexzessen. Er wird Octave brechen, zerstören und während einer regnerischen Nacht auf das Dach der Agentur treiben, von wo aus er in den Tod springt. Auf dem Weg nach unten, das Unvermeidbare vor Augen, hält er inne. Wie konnte es so weit kommen? Ein Rückblick gibt Auskunft. Ihm folgt, im Stile eines Testscreenings, ein alternatives Ende. Der Suizid ist zwar konsequent, für Beigbeder und auch Kounen aber längst nicht das große Finale.

Als Anti-Held führt Octave durch die Handlung. Seine Kommentare, gern direkt an den Zuschauer gerichtet, sind voll von beißendem Spott und zynischer Selbstgefälligkeit. Hinter den Rändern einer Designerbrille, gehüllt in die kostspieligsten Maßanzüge verbirgt sich ein Mann ohne Perspektive. Er ist wie der Hamster in seinem Büro, der auf Koks so lange hektisch im Laufrad rotiert, bis er kollabiert. Dies Schicksal blüht auch dem eitlen Werber, den die Trennung von der schwangeren Geliebten endgültig aus der Bahn wirft. Beruflich hingegen läuft alles wie geschmiert. Für einen bedeutenden Joghurt-Konzern soll Octave einen Spot konzipieren. Beim Dreh in Florida strickt er den 30-Sekünder nach seiner Fasson um.

Mit diesem Ausrufezeichen, das die Oberflächlichkeit und Heuchelei der Werbung radikal entblößt, verabschiedet sich der Geläuterte aus dem Gefängnis der makellosen Körper und ästhetisierten Güter. Kounen verwandelt die moralisch ohne jede Wertung versehene Läuterung zur ätzenden Satire und stürzt den Betrachter in einen entfesselten Bilderrausch, der optisch zu Finchers „Fight Club“ aufschließt. An dessen visionären Genius reicht „39,90“ nicht heran. Wenn das stark fotografierte und gut besetzte Scheibenschießen gegen die Branche auch mit einigen narrativen Freiheiten an das Medium Film angepasst wurde. Beigbeder, der selbst verschiedene Kurzauftritte absolviert, soll sich zufrieden geäußert haben. Diesem Urteil kann man trauen.

Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

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