Der gemeine Wald- und Wiesen-Zombie genießt nicht unbedingt einen guten Ruf. In den letzten Jahrzehnten wurde er erst Stück für Stück zum Gewaltobjekt verschrien, dann gehörig durch den Kakao gezogen und tauchte Anfang der 80er sogar neben Michael Jackson auf. So schnell kann es gehen. Bereits in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts wurden einige Zombie-Streifen gedreht, der aber wohl mit Abstand bekannteste ist der Ende der 1968 von George A. Romero gedrehte „Night of the Living Dead“. Dieser paarte Gewaltszenen mit einer nicht zu leugnenden Gesellschaftskritik, die vor allem in den USA auf den andauernden Vietnam-Krieg bezogen wurde. Zwei weitere Zombie-Filme von Romero folgten, zum einen 1978 „Dawn of the Dead“ und zum anderen 1985 „Day of the Dead“.
Diese jedoch sorgten vornehmlich wegen ihrer kompromisslosen wie drastischen Gewaltdarstellung für Aufsehen und riefen allerorts Jugendschützer, Kritiker und Zensoren auf den Plan. Nicht ohne Grund existieren scheinbar unzählige verschiedene Versionen dieser Werke, den Erfolg konnte dies nicht negativ beeinflussen, avancierten die Filme zu absoluten Kult-Filmen in den entsprechenden Kreisen und animierten das europäische Billig-Kino vor allem in den 70ern und 80ern zu unzähligen Zombie-Filmchen, die allerdings alle die Qualität der Originale vermissen ließen. Zwischendurch immer mal wieder auf die Leinwand gezerrt, sollte die Verfilmung des berühmten Videospiels „Resident Evil“ für eine Renaissance des Zombie-Films sorgen, vor allem als der Über-Vater des Zombie-Films George A. Romero für den Platz auf dem Regiestuhl gehandelt wurde. Doch es kam alles ganz anders und „Resident Evil“ wurde ein vollkommener Griff ins Klo. Nun aber lässt „Trainspotting“-Regisseur Danny Boyle die Untoten wieder auferstehen und liefert mit „28 Days Later“ einen der besten und intelligentesten Horror-Filme der letzten 10 Jahre ab.
Drei Tierschützer brechen in ein geheimes Labor ein, mit der Absicht Affen zu befreien, die als Versuchsobjekte dienen. Bei dem Versuch, die Affen aus ihren Käfigen zu befreien, werden sie jedoch von einem Arzt entdeckt, der sie dringlichst darauf hinweist, das die Affen mit einem Wut-Virus infiziert seien. Dennoch wird ein Affe befreit… 28 Tage später wacht der verunglückte Fahrradkurier Jim (Cillian Murphy) aus seinem Koma in einem Londoner Krankenhaus auf. Doch anstatt seine Familie oder einen Arzt an seinem Bett vorzufinden, scheint das Krankenhaus wie ausgestorben. Auch die Straßen könnten ruhiger und verlassener nicht sein und ziel- wie planlos streift Jim durch die englische Hauptstadt. In einer Kirche stößt er dann aber auf die ersten „Lebewesen“, die jedoch anders auf den Neuankömmling reagieren als er sich das vorgestellt hat und erst durch die Hilfe von Selena (Naomie Harris) und Mark (Noah Huntley) seinen Verfolgern entkommen kann.
Diese klären Jim erst einmal über die aktuelle Situation auf, die vor eben 28 Tagen begann, als sich ein Virus über die Menschen ausbreitete. Dieses Virus wird durch Speichel oder Blut übertragen und innerhalb von 20 Sekunden ist es um einen geschehen und man gehört zu den „Infizierten“. Jim kann jedoch nicht glauben, das alle Menschen und vor allem seine Familie tot sind und so machen sich die drei gemeinsam zum Elternhaus von Jim auf, um dort die endgültige Gewissheit über den Verbleib seiner Lieben zu erhalten. Tatsächlich findet Jim seine Eltern tot auf, jedoch haben diese sich durch die Einnahme von Tabletten selbst das Leben genommen. In der Nacht kommt es zu einem Angriff von Infizierten, bei dem Mark von dem Virus befallen wird und in wenigen Sekunden von Selena abgeschlachtet wird. Auf sich alleine gestellt, treffen Selena und Jim aber auf zwei weitere Überlebende, Frank (Brendan Gleeson, „Gangs of New York“) und seine Tochter. Gemeinsam machen sie sich von London auf nach Manchester, wo es eine Militärbasis geben soll, die neben Nahrung auch Antworten haben parat halten soll.
Mit „Trainspotting“ legte Regisseur Danny Boyle 1996 einen kleinen wie dreckigen Drogenfilm hin, der zum Kult-Film avancierte und Boyle zum Star machte. Im Folgenden drehte dieser Hollywood-Mittelmaß wie „Lebe lieber ungewöhnlich“ oder „The Beach“, bis er sich im letzten Jahr zusammen mit Drehbuchautor Alex Garland aktuelle globale Probleme zum Thema nahm und daraus „28 Days Later“ konzipierte. Tatsächlich ist ein Bezug auf BSE, SARS (wenn dies auch erst später auftauchte), dem sozialen Verfall oder Terroranschläge mit Biologischen Waffen nicht von der Hand zu weisen und eben diese Ängste greifen Boyle und Garland gekonnt auf und zeigen vor allem im ersten Drittel eine beklemmende wie angsteinflößende Vision, die so abwegig gar nicht erscheinen muss. Eine Großstadt wie London, die innerhalb weniger Tage menschenleer wirkt, dazu ein einsamer Mensch ohne zu wissen, was wirklich passiert ist. Dies alles, in körnige wie düstere Bilder gehaucht, gehört zum besten, was es seit langem im Horrorkino zu sehen gab.
Die Stille und Einsamkeit, in der sich die Figur des Jim bewegt, könnte beklemmender nicht sein und diese knapp 30 Minuten gehören wohl zum Prunkstück von „28 Days Later“. Im weiteren Verlauf kann der Film den Spannungsgrad leider nicht immer halten, denn die ein oder andere Länge lässt den Zuschauer mal kurz wieder runterkommen. Zwar gibt es kurze Verfolgungsjagden und kleine Auseinandersetzungen mit den Infizierten, die im übrigen nicht schlaftrunkend wie handelsübliche Zombies durch die Gegend streifen, sondern wieselflink und kraftvoll ihre Opfer attackieren, doch auch der ein oder andere ruhigere Ton wird in den Film eingefügt, während die letzten Überlebenden ihre Reise von London nach Manchester antreten. Im letzten Drittel dann, das von dem Aufeinandertreffen mit dem Rest der Armee handelt, wird dann wie in den großen Romero-Werken verdeutlicht, dass sich der „normale“ Mensch von den eigentlichen Bestien nicht groß unterscheidet. Auch hier werden die persönlichen Interessen dem eigentlichen Überlebenskampf übergeordnet und auch Gleichgesinnte werden der „guten“ Sache geopfert.
Die Verrohung der Gesellschaft, hier anhand einzelner Personen dargestellt, wird jedoch nicht nur durch die Infizierten oder die Militärs zum Schluss dargestellt, sondern auch die Hauptperson des Jim wandelt sich im Laufe des Films, wenn für ihn auch immer noch seine Freunde an erster Stelle stehen. Doch die Szene, in der er in einem verlassenen Tankstellen-Imbiss einen infizierten Jungen ohne mit der Wimper zu zucken tötet zeigt, dass der Verrohungsprozess schneller greifen kann als man es erwartet. Bis auf wenige Sequenzen erlaubt sich der Film keine Aussetzer. Die Szene im Tunnel, in der das alte Taxi wie ein Flummi über Dutzende zerstörte Autos hinwegspringt, hätte man sich sicher sparen können, doch wirklich enttäuschend ist nur das unnötig versöhnliche Ende. Ein offenes Finale wäre da sicherlich das einzig Richtige gewesen.
Die Optik des Films stellt sich im übrigen weniger „Dogma“-like dar als es in einigen Berichten zu lesen war und auch die Tatsache, das „28 Days Later“ komplett digital gefilmt wurde, fällt im Kino nicht unbedingt auf. Die Optik passt allerdings zum Film, meist dunkler gehaltene Bilder bestimmen das Geschehen. Die Gewalt hält sich in Grenzen und von Splatter-Einlagen oder ähnlichem kann man nicht sprechen. Die Freigabe ab 18 ist gerechtfertigt, allerdings hält die Kamera nicht drauf, wenn mit Macheten oder ähnlichem auf die Infizierten eingedroschen wird. „28 Days Later“ ist ein wirklich guter Horror Film geworden, bei dem der Zuschauer auch gern mal ein paar Minuten darüber nachdenken darf. Einigen Schwächen zum Trotz lohnt der allerdings Kauf der Kinokarte, ohne Frage.
Wertung: (7,5 / 10)