Manche Konzertpakete sind einfach zu gut, um wahr zu sein. Drei Bands und alle Hochkaräter, das erlebt man wahrlich nicht alle Tage. Fast wehmütig geht der Blick zurück, als LAGWAGON anno dazumal (genauer 1998) mit AVAIL und den BOUNCING SOULS durch Europa tourten. Ähnliche, ach was sublimierte Verzückung ward geboten, als die Nachricht einer ersehnten, jedoch kaum mehr erhofften Visite der Gainesville-Heroen HOT WATER MUSIC die Runde machte. Denn niemand geringeres als STRIKE ANYWHERE und A WILHELM SCREAM sollten das Vorprogramm bestücken!
Zum Auftakt gastierte die Traumkonstellation in der Hamburger Markthalle, wo rund 600 Menschen einen prima Abend verlebten. Obwohl die Stimmung hätte ausgelassener sein können, durften sich die Musiker warm empfangen fühlen. HWM-Sänger Chris Wollard kam am Ende, vor Schweiß triefend, kaum mehr aus dem Grinsen heraus und würdigte die kühnen Stagediver-Aktivitäten mancher Fans während seiner Gesangsparts gar mit herzlichem Gelächter. Der Alkohol hatte früher maßgeblich zu seiner Erscheinung beigetragen. Diesmal wirkte er konzentriert und fit, was die bedauernswerte Angestellte, die gleich flaschenweise Schnaps in den Backstage-Bereich zu schaffen hatte, jedoch keineswegs überflüssig machte.
Püntklich um 20 Uhr feuerten A WILHELM SCREAM den Startschuss ab. Die Mannen aus New Bedford sind in der Szene längst etabliert und haben sich durch eine (mittlerweile) gern zu Metal-Gitarren tendierende Mischung aus Hardcore und Punk sowie politisch motivierte Texten eine feste Anhängerschaft erspielt. Bemerkenswert vertreten wurde diese durch etwa ein Dutzend vor der Bühne abgehender Fans, die Frontmann Nuno Pereira auch stimmlich tatkräftig zu unterstützen wussten. Der Sound war eher mäßig, das Set (u.a. „Killing It”, „These Dead Streets”, „The King is Dead”, „Me vs. Morrissey…”) dafür umso mitreißender. Ein starker Auftritt.
Danach die Polit-HC/Punks von STRIKE ANYWHERE, die mit dem kürzlich erschienenen vierten Album „Iron Front“ überzeugender als zuletzt an den Klassiker „Change is a Sound“ anknüpfen konnten. Der Fünfer um Front-Derwisch Thomas Barnett lockte mehr Publikum vor die Bühne und animierte auch mehr Kehlen zur textlichen Unterstützung. Das Programm ließ kaum Wünsche offen, neben „Laughter in a Police State“, „Infrared“ und „Instinct“ wurden auch „I’m Your Opposite Number“, „Chorus of One“ und „Timebomb Generation“ zum Besten gegeben. Zwar gingen Barnetts Ansagen in der Plauderlaune des Auditoriums unter, gebührend abgefeiert wurden die Jungs aus Richmond mit Chören und Circle Pits aber allemal.
So viel Klasse die Warmlaufphase auch offenbart hatte, spätestens beim Einlaufen von HOT WATER MUSIC zeigte sich, wer der wahre Herr im Ring war. Chuck Ragan und seine Mitstreiter haben sich nach allen Querelen der Vergangenheit zusammengerauft und versöhnt. Nicht (allein) aus finanziellen Gründen, sondern, das offenbarten die Vier unmissverständlich, der Liebe zur Musik wegen. Die folgenden 80 Minuten arbeiteten sich die ursympathischen wie rau-melancholischen Indie-Punks akribisch an sämtlichen Schaffensperioden ab und brachten einen Gutteil des Publikums mit grandioser Songauswahl (neben „Remedy“, „Flight and a Crash“, „Trusty Chords“ und „All Heads Down“ wurden auch „I Was On a Mountain“, „Paper Thin“ und „Turnstile“ gespielt) zum Kochen. Es hat wohl kaum eine Band-Reunion je mehr Sinn ergeben!