23.11.2007 – The Unseen / Rejected Youth / Rentokill – Berlin, Kato

Die Widersprüchlichkeit der (klassischen) Punkszene, gebündelt an einem einzigen Abend musikalischer Unterhaltung. Das Paket versprach viel, baten doch RENTOKILL und REJECTED YOUTH als Vorbands von THE UNSEEN zur fröhlichen Pogoparty. Vom Nietenkaiser bis zum turmhohen Irokesen waren alle obligatorischen Uniformitäten vertreten, so dass der standesgemäßen Politisierung eigentlich nichts mehr im Wege stand. Doch halt, spätestens als einer der gewollt verwahrlosten Zeitgenossen sein funkelnagelneues Fotohandy zum Vorschein brachte, um das Geschehen auch digital für die Nachwelt festzuhalten, platzte der Lack des sozialen Aufbegehrens endgültig ab.

Der „Cyber-Punk“, wie er liebevoll getauft wurde, blieb aber nicht die einzige Reibungsfläche des Abends. Attitüdenpflege schien für viele der Anwesenden ein entscheidender Faktor zu sein. Ist das noch Punk oder schon der Jahrmarkt der abgefuckten Eitelkeiten? Einer der (wahrscheinlich) zahlenden Gäste reichte gar einen klingelnden Trinkbecher auf der Suche nach Kleingeld in die Runde. Würden all die Träger kunstvoll zum Seeigel geformter Frisuren jene Zeit, die sie zum Arrangement ihrer Haarpracht benötigen, in die tatsächliche Veränderung der Gesellschaft investieren, vielleicht, ja vielleicht wäre diese unsere Welt einen Deut besser.

Musik wurde natürlich auch gespielt, die sogar in vollem Umfang mitreißend. Den Auftakt nach Maß besorgten RENTOKILL. Die Wiener zementierten ihren Polit-Punk mit kleinen Geschichten und klaren Ansagen, was den schon äußerlich angestachelten Pulk in helle Aufregung versetzte. Vor der Bühne ging mächtig die Post ab, als der Vierer aus einigen Kehlen gesanglich unterstützt – und insgesamt mächtig abgefeiert – wurde. Der Sound war ein Kato-typisch lärmender Brei, was in Anbetracht der Hitdichte des Sets, darunter „Discontent Industry“, „Songs of Convenience“ und „Primetime Killers“, aber nicht weiter störte.

REJECTED YOUTH, jene mit der sublimierten Haarpracht, gingen es eine Spur Garagen-rockiger und der alten Schule des (UK-)Punk verpflichtet an. Neben der unlängst erschienenen Platte „Public Disorder“ bot das Quartett aus Nürnberg einen gelungenen Abriss ihres bisherigen Schaffens und packte durch Nummern wie „Refuse/Resist“, „Sympathy for the Underdogs“ oder „Antifascista“ vollends. Ihre Spielart mit Street-Kante zeigte (zumindest live) deutliche Parallelen zur ersten HIVES-Scheibe „Barely Legal“. Manche Passage wurde augenscheinlich gar komplett übernommen, was der anhaltend hervorragenden Atmosphäre aber keinen Abbruch tat.

Auch die im klassischem Punk-Rock und Hardcore verwurzelten THE UNSEEN gaben einen durch alle Entwicklungsphasen eilenden Rundumschlag zum Besten, was bei Stücken wie „Social Security“, „Right Before Your Eyes“ oder „Break Away“ auf einhellige Begeisterung stieß. Zwar brauchten die Bostoner eine gewisse Warmlaufphase, steigerten sich aber zu einem mitreißenden Live-Orkan. Ihr jüngstes Werk „Internal Salvation“ wurde gebührend aufgegriffen und in Publikumschorälen nicht minder dankbar unterstützt. Auf seine Weise war es ein ganz besonderer Konzertabend – mit wandelnden Klischees en Masse und einer Ausgelassenheit, wie man sie heute nicht mehr alle Tage erlebt. Die Szene mag sich selbst um ihre Glaubwürdigkeit bringen, auf großartige Partys versteht sie sich aber nach wie vor perfekt.

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