Die Wiederbelebung ikonesker Bands ist eine delikate Angelegenheit. Sind relevante Mitglieder nicht mehr dabei, stinkt die Sache schnell nach Geldscheffelei. Ganz zu schweigen davon, dass neu aufgenommene Platten alten Klassikern kaum das Wasser reichen können. In welch unterschiedliche Richtungen solch musikalische Revitalisierungen driften können, zeigte sich bei der 2012er-Ausgabe der mittlerweile vom Mailorder EMP präsentierten Persistence Tour. Denn als Headliner konnten keine geringeren als die 80’s-Hardcore-Institutionen SUICIDAL TENDENCIES und BIOHAZARD verpflichtet werden.
Als Mike Muir seine Westküsten-Thrasher Ende der Neunziger stark verjüngt reformierte, war Skepsis durchaus angebracht. Aber der deutlich punkigerer Sound von „Freedumb“ stimmte die Fans weitgehend versöhnlich. Als Höhepunkt des Abends im nahezu ausverkauften Berliner Astra war den SUICIDAL TENDENCIES zwar ein bescheidener Raumklang vergönnt, der sich auf klassische Hits – u.a. „You Can’t Bring Me Down“, „Pledge Your Allegiance“, „War Inside My Head“, „How Will I Laugh Tomorrow“, „Possessed to Skate“ – und ellenlange Spoken Word-Passagen Muirs beschränkende Fünfer heizte die Atmosphäre aber beständig an und öffnete die Bühne zum Finale gar fürs Publikum.
Der Makel der schwachen Akustik – bei „Cyco Vision“ versagte das Mikro vollends – blieb also verzeihlich. Komplettiert wurde der gelungene Rückgriff in die Vergangenheit vom munteren Auftreten Muirs, der das Bandana wieder so tief ins Gesicht gezogen hatte, dass er die Halle wohl nur in ihrer Gesamtheit überblicken konnte, wenn er den Kopf so weit wie anatomisch möglich in den Nacken legte. Aber kommen wir zum Gegensatz, respektive BIOHAZARD, die in Originalbesetzung zwar unlängst ihr jüngstes Album „Reborn in Defiance“ vorstellten – auch wenn Evan Seinfeld mittlerweile wieder ausgestiegen ist –, live aber (einmal mehr) nur bedingt überzeugen konnten.
Bewährten Gassenhauern wie „Urban Discipline“, „Punishment“, „What Makes Us Tick“,„Shades of Grey“ oder „Hold My Own“ mangelte es an Pfeffer, um aus diesem Routineauftritt in seiner Gesamtheit mehr zu machen als einen belanglosen Blick auf ruhmreichere Tage. Zumal die Beiträge des neuen Albums schlicht langweilig waren. Einen weit überzeugenderen Eindruck hinterließen zuvor die Stumpfsinns-Heroen von TERROR, die wie gewohnt kraftvoll und leidenschaftlich metallisch geprägten Hardcore servierten. Bei Tracks wie „Keepers of the Faith”, „Betrayer“, „Never Allowed“ oder „Always the Hard Way“ stieg die Stimmung sowieso unweigerlich.
Zuspruch und Bewegungsfreude provozierten aber nicht allein die Kalifornier um den stimmgewaltigen Schreihals Scott Vogel, der die Stage früh für Stagediver freigab. Auch WALLS OF JERICHO aus Detroit machten unmissverständlich klar, warum sie zur Speerspitze des metallenen Hardcores zählen. Nach ihrer Babypause fegte Frontröhre Candace Kucsulain wieder mit Feuereifer über die Bühne und gab sich bei den Zwischenansprachen gewohnt publikumsnah. Für Shoutalongs war Dank treibender Hymnen wie „The American Dream“ auch ausreichend gesorgt. Die Eröffnung des Abends besorgten am Vorabend LIONHEART und die CRUSHING CASPARS, die Solidität ohne echte Höhepunkte boten.
Die ebenfalls amerikanischen Krachschläger LIONHEART, die mit krawalligem Hardcore und Thrash-Anleihen in bewährte Schubladen vorstoßen, machten dabei aber noch eine etwas bessere Figur als die Rostocker Baltic Sea-Hardcoreler CRUSHING CASPARS. Der einzige deutsche Vertreter des insgesamt wenig denkwürdigen aber doch weitgehend gelungenen Abends setzte trotz beschränkter Bühnenzeit zu sehr auf Animationsspielchen (u.a. bei „Viva La Rostock“) mit den noch überschaubaren Zuschauerreihen und hätte einfach mehr aufs Tempo drücken dürfen. Aber konstante Qualitätssteigerung darf bei solchen Konzertveranstaltungen schon erwartet werden. Wenn BIOHAZARD auch bisweilen deutlich aus diesem erwartbaren Rahmen fielen.
Handy-Fotos by Ivo H.