Der Sommer steht vor der Tür. Und das bereits im Februar. Während draußen nasskaltes Tauwetter vorherrscht, tragen die Bands drinnen wieder kurze Hosen. Oder – wie im Falle des ewig grimassierenden SHOOK ONES-Gitarristen Zach – verschwindend kurze Sportshorts auf Winterschuhwerk. Nein, ein Abend aufgeregter Szenetreiberei und ausgestellter Attitüden war dieser sicher nicht. Eher eine Königsübung in Sachen Independent. Mit hochgekrempelten Hosenbeinen, in die Höhe gereckten Fäusten und einem Hamburger Abrisskommando, dass das Hafenklang in ein Tollhaus verwandelte.
Den Anlass stellten POLAR BEAR CLUB, die schon auf der Supporttour für THE GASLIGHT ANTHEM ihre Bühnenqualitäten unter Beweis stellten – und spätestens seit Veröffentlichung ihres famosen zweiten Albums „Chasing Hamburg“ auch in unseren Breiten eine stetig wachsende Fangemeinde um sich scharen. In der Hansestadt mobilisierten sie rund 200 begeisterte Konzertgänger, wobei die Zugkraft des Vorprogramms nicht unterschätzt werden sollte. Neben erwähnten SHOOK ONES, seit Jahren eine mitreißende Konstante in Sachen eigenwillig rotzigem Hardcore-Punk, waren auch TITLE FIGHT mit von der Partie.
Der noch junge Vierer aus Kingston, Pennsylvania, trat mit einigen Vorschusslorbeeren auf den Plan – und wurde diesen trotz schwachem Sound mehr als gerecht. Die Vocals verkamen, sofern überhaupt hörbar, zu einem anhaltend unverständlichen Schreien, was eine gute Handvoll Fans in Reihe eins aber nicht davon abhielt, die Jungs nach allen Regeln der Kunst abzufeiern. Nahezu jeder Song (darunter „Symmetrie“ und „Loud and Clear“) wurde begeistert mitgesungen und der Band bei ihrer ersten Europavisite ein herzlicher Empfang bereitet. Live deutlich härter, riss der rotzige Punk mit Indie-Einschlag konstant mit. Die Weichen für ein grandioses Spektakel waren gestellt!
Wenn bei TITLE FIGHT erste Funken sprühten, verwandelte sich das Hafenklang bei den folgenden SHOOK ONES in ein Flammenmeer. Von Sekunde eins an sorgten die legitimen und ursympathischen Nachfolger von KID DYNAMITE für ausgelassene Stimmung. Körper flogen ohne Rücksicht auf Verluste von der kleinen Bühne, vor der ein stattliches Knäuel den Aufstand probte. Für Gelächter sorgte eine Pferdemaske aus Gummi, mit der ein Zuschauer in bester SNFU-Manier herumsprang. Wurde einem als Huhn verkleideten Fan auf dem Groezrock 2008 seitens HOT WATER MUSIC eine Nummer gewidmet, so hieß es diesmal eben: „The next one’s for the horse!“
Das erstklassige Set hätte neben „Pheasant“, „Silverfish“ oder „So Grown Up“ gern öfter das Debüt „Sixteen“ streifen dürfen, enttäuschte Gesichter ließ der Fünfer aus Seattle jedoch keine zurück. Zwischen den Songs wurde munter geplaudert, die Vorzüge des Tischtennis gegenüber dem Kicker erläutert und aus einem Deutsch-Lehrbuch vorgelesen. Im Gegensatz zur auch akustisch erstklassigen Show mit eher bescheidenem Erfolg. Den Gipfel aber erklomm der Abend standesgemäß mit dem Headliner. Und die Entwicklung der Indie-Punks von POLAR BEAR CLUB binnen zwei Jahren ist schon erstaunlich.
Nach einer EP und zwei Platten sind die Mannen aus Syracuse, New York, da, wo sie hingehören: Von Dutzenden frenetisch jede Silbe mitgrölenden Anhängern in atmosphärisch nahe der Höchstmarke aufgeheizten Clubs gefeiert, als gäbe es kein morgen mehr. Barrieren zwischen Musikern und Fans werden aufgehoben, im Kollektiv schlicht eine grandiose Party gefeiert. Eine Stunde lang herrschte im Hafenklang Ausnahmezustand. Gespielt wurden alle Hits (u.a. „Boxes“, „Our Ballads“, „Election Day“, „Living Saints“ und natürlich „Hollow Place“) und selbst beim ruhigen „Drifting Things“ sang der Pulk ohne Unterlass mit. Diese rundum gelungene, ach was einfach sensationelle Show werden wohl nicht nur die beteiligten Bands noch lange im Gedächtnis behalten.