
Hardcore ist pure Emotion. Das umschließt nicht allein klassische Aggressionsbewältigung, sondern auch deutlich substanziellere Gefühlswelten. Ein treffliches Beispiel ist BE WELL, die neue Bandsensation von Brian McTernan (BATTERY). Für den Genre-Vorkämpfer, der als Produzent die Schöpfung zahlreicher Plattenklassiker (u. a. für SNAPCASE, HOT WATER MUSIC und STRIKE ANYWHERE) stütze, ist das Projekt eine Reflektionsfläche seiner Depression. Über die Musik machte er sie öffentlich und erhält – zumindest aus seiner Warte – nie für möglich gehaltenen Zuspruch. Der gern mit Post-Zusatz versehene Hardcore von BE WELL wird damit zur Katharsis; nicht allein für McTernan, sondern für alle, die sich in den schmerzhaft ehrlichen Texten wiederfinden.
Der Auftritt in Köln ist das Tourfinale. Das lässt eine Programmtaktung vermuten, die auf ein zeitiges Veranstaltungsende hinausläuft. Mit HARD STRIKE beginnt die erste Vorband Schlag 20 Uhr. Nach Primetime klingt der nach eigenem Bekunden erst vierte Live-Auftritt der aus verschiedenen Genre-Veteranen zusammengewürfelten Combo jedoch nicht. Der Sound bleibt zunächst dumpf, was der Energieleistung aber keinen Abbruch beschert. Das schnörkellose, meist kurz abgehandelte Geballer forciert über Gangshouts und Punk-Einlagen Anteilnahme. In 25 Minuten, während denen u. a. „Chances“, „Out of My Head“ und „The Conflict“ vorgetragen werden, reicht das Gespann eine ansprechende Visitenkarte, die zum Abschluss von McTernans Bruder Mike (DAMNATION A.D.) stimmlich unterstützt wird.
Danach GIVER, die eine halbe Stunde lang belegen, dass Hardcore keinesfalls monotonen Mustern folgen muss. Im Laufe ihres Bestehens haben sich die Paderborner erst im DIY und anschließend darüber hinaus einen Namen gemacht. Diese Entwicklung wird dick unterstrichen. Denn bei ihrem Auftritt bebt das gut gefüllte Gebäude 9, in dem der wummernde Bass bereits beim Hochlauf durch die Reihen schneidet. Was folgt, ist der traditionelle Knüppel mit progressivem Touch – vielschichtig, wandlungsreich, überraschend. Neben dem Set, das u. a. „Shock of the Fall“, „Nieder“ und „Sculpture of Violence“ einschließt, beweisen GIVER Haltung, wenn angesichts des KVB-Streiks in der Domstadt zur CDU-Schelte ausgeholt wird. Ein leider zu kurzer und doch ganz starker Auftritt.

Um Viertel vor zehn dann BE WELL. Die Zeichen stehen auf Hardcore zum Wohlfühlen. McTernan lädt das Publikum mit dem Versprechen vor die Bühne ein, dass keine Gefahr drohe. Ekstase ja, übertriebene Härte nein. Das prägt den Charakter der Show, bei der textsichere Fans regelmäßig mit Handschlag bedacht werden. Damit bleibt auch abseits der Songtexte durchweg spürbar, welche Bedeutung die Band für den Frontmann einnimmt. Um das zu unterstreichen, nimmt er sich Zeit für Erzählungen; über sich, seine Entwicklung und den Kampf mit sich selbst. Welch große Belastung der für sein familiäres Umfeld bedeutet haben muss, zeigt Mike, der am Bühnenrand bisweilen heult wie ein Schlosshund. Doch geht es nicht darum, das Negative zu betonen, sondern das Positive, das daraus erwachsen kann.
Und so bellen die Brüder bei Coverversionen u. a. von 7 SECONDS („Young ‘Til I Die“) gemeinsam ins Mikro und feiern die Strahlkraft des Hardcores mit eifrig mitgehenden Scharen in den vorderen Reihen. Wie groß die von BE WELL binnen weniger Jahre erzielte Wirkung ist, lässt sich auch an der stimmlichen Beteiligung des Pulks ermessen, der sich bei Beiträgen wie „Hello Sun“, „Treadless“, „I’ll Leave You With This“, „Meaningless Measures“, „Confessional“ oder „In the Shadow of You Thought I Was“ zu reger Partizipation verleiten lässt. In Sachen Bühnenpräsenz und Atmosphäre bleiben am Ende keine Wünsche offen. Daher darf der Instant-Klassiker gern schnellstmöglich auf hiesige Bretter zurückkehren!