16.10.2007 – Nikola Sarcevic / Jonas Goldbaum – Berlin, Café Zapata

Bedienen wir Geschlechterklischees: Frauen wollen Männer, die Gefühle zeigen, vielleicht gar ohne Scham weinen können. Aber solche sind seltener als ein Sechser im Lotto, was Mädels? Falsch! Es braucht nur Nikola Sarcevic. Wenn er zur Gitarre greift, werden auch die größten Machos zu Softies. Zumindest im Berliner Café Zapata. Denn dort steigen, wenn der sympathische Schwede zu melancholischen Balladen vom Verlust der Liebe ausholt, nicht wenige der Anwesenden Mannsbilder in seinen Gesang ein – manche sogar mit geschlossenen Augen. Da geriet selbst der hauptberuflich als Frontmann der Punkband MILLENCOLIN agierende Sarcevic ins Grübeln, benötigte er doch vereinzelt gleich mehrere Anläufe, bis ihm die eigenen Texte wieder ins Gedächtnis kamen. Vielleicht hätte er einfach das Publikum um Rat fragen sollen.

Im Vorprogramm tummelten sich JONAS GOLDBAUM aus Wien, die Ende Oktober ihr zweites Album „Unsere Welt braucht dich“ veröffentlichen werden. Darauf serviert der Vierer deutschsprachigen Indie-Pop-Rock. Das ist erst einmal nichts neues, selbst wenn er aus Österreich kommt. Im Gegensatz zu all den jugendlichen Generation-Praktikum-Bands, die in den letzten Jahren erfolgreich die Charts belagerten, funktionieren die GOLDBÄUME aber generationsübergreifend. Da könnte Mutti ebenso drauf steil gehen wie der Sohnemann. Zu einem guten Teil liegt das an Sänger Arne, der mit „fortschreitendem“ Alter, Bauchansatz und rustikalem Charme glatt als österreichische Antwort auf Thees Uhlmann durchgehen könnte.

Live gefielen sie. Der Raumklang war exzellent, die Stücke – unter anderem „Sternenparties“, „Fallschirm“, „Taucher im Meer“ oder das Rock’n’Roll hauchende „Yeah Yeah Yeah“ – noch ein angenehmes Stück härter als auf Platte. Die Reaktionen waren mitunter verhalten, insgesamt aber recht positiv gestimmt. Im November und Dezember werden sie die brillanten WEAKERTHANS begleiten. Eine gute Gelegenheit, um JONAS GOLDBAUM in einem ähnlich intimen Rahmen kennenzulernen. An diesem Abend verwandelte sich dieser in ein Tollhaus, als Nikola Sarcevic die Bühne betrat. Die folgenden knapp 80 Minuten gesäuselten Herzschmerzes brachten Verzückung in die gut 100 Anwesenden. Wenn man sie bei den im leisen Mitgesang geschlossenen Augen denn überhaupt bemerkte.

Sarcevic erfüllt sich abseits des internationalen Erfolgs mit MILLENCOLIN den Traum des Jungen mit seiner Gitarre. Der Eindruck täuscht trotz Bandbegleitung nicht. Die braucht er, damit es nicht langweilig wird. Denn so herrlich kitschig seine Songs auch daherkommen, er allein, eng umschlungen die Akustikklampfe, würde etwas verloren wirken. So funktioniert es prächtig, musikalisch wie gleichsam atmosphärisch. Seine beiden Platten „Lock-Sport-Krock“ und „Roll Roll and Flee“ bedachte er ausgewogen. Gespielt wurden alle Hits, neben den beiden Titeltracks natürlich „Nobody Without You”, „The Law of John T.“, „New Fool“ und „Tybble Skyline“. Zweimal ließen sich er und seine Getreuen zur Zugabe bitten. Den Abschluss bildeten Coversongs, unter anderem von Bob Dylan, halb improvisiert, halb andächtig. Und um abschließend, nicht nur für alle weiblichen Leser, noch einmal Gefühle zu zeigen: Es war ein sehr schöner Konzertabend. Danke dafür.

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